Prof. Hans Michael Heinig schlägt vor, den akademischen Kalender neu zu justieren. | Foto: Uni Göttingen, Canva

Sollte sich der akademische Kalender künftig an den Zyklen der Pandemie orientieren? Seit zwei Jahren wirbelt das Corona-Virus auch das universitäre Leben durcheinander. Einige Studenten haben noch nie oder nur sehr selten überhaupt einen Hörsaal von innen gesehen, weil die Lehre wiederholt ins Digitale verlagert worden ist. Klare Regeln gibt es für die Hochschulen derweil kaum, weil diese aufgrund ihrer Autonomie ihre Angelegenheiten selbst regeln sollen. In welchen Situationen Lehrveranstaltungen online abgehalten werden sollen, wie Dozenten Prüfungen organisieren oder in welcher Weise Corona-Regeln auf dem Campus kontrolliert werden, liegt deshalb im Ermessen jeder einzelnen Universität beziehungsweise Fachhochschule. Verlässliche Konzepte, wie die Universitäten sich pandemiefest aufstellen können, gibt es deshalb eher selten.

Einen weitreichenden Vorschlag hat nun ein Professor aus Göttingen vorgetragen. Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick regte Prof. Hans Michael Heinig, Prodekan der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität, eine Verschiebung der Semestertermine an. Die Vorlesungszeiten würden dann jeweils vom 15. März bis zum 30. Juni und vom 1. September bis zum 15. Dezember reichen. Zum Vergleich: Die Lehrveranstaltungen im vergangenen Sommersemester lagen in Göttingen zwischen dem 12. April und dem 16. Juni, im Wintersemester fand die Lehre zwischen dem 25. Oktober und dem 11. Februar statt.

Wie wichtig ist die Präsenz wirklich?

„Wenn Präsenz so wichtig ist, wie jetzt alle beteuern, dann sollten wir alles dafür tun, um so viele Präsenzveranstaltungen in der universitären Lehre wie nur irgend möglich sicherzustellen“, begründet Heinig seinen Vorschlag, hinter dem die Hoffnung steckt, die Vorlesungszeit vor der besonders infektionsträchtigen Winterperiode zu beenden. „Wir wissen alle nicht, wo wir in einem Jahr stehen“, sagt Heinig. Seine Intervention kann deshalb als vorausschauendes Angebot verstanden werden. Niemand könne garantieren, dass die Corona-Pandemie im kommenden Winter mit Sicherheit vorüber ist: „Viele leben gerade in der Erwartung: noch drei Monate durchhalten und dann ist gut.“ Ob man es bis dahin mit einer „endemischen Lage“ zu tun hat, sei aber eher eine normative als eine statistische Frage, meint der Jurist. Schließlich gehe es bei dieser Bewertung schlicht darum, welches Infektionsgeschehen eine Gesellschaft aushalten will und unter welchen Umständen doch wieder Vorsichtsmaßnahmen geboten sein könnten.

Heinig selbst hat im vergangenen November nach eigenem Ermessen seine Lehrveranstaltungen in Göttingen ins Digitale verlagert und kommentierte: „Es hilft gerade nur das Prinzip Eigenverantwortung.“ Mit Blick auf deutlich strengere Kontrollen des Schutzstatus an US-Universitäten sagt er: „Es geht auch darum, welchen Preis man für Präsenzunterricht zu zahlen bereit ist.“ Digitalisierung der Lehre allein, reiche seiner Ansicht nach nicht aus. Die Semestertermine zu verschieben wäre allerdings eine Alternative, die nicht einmal etwas kosten würde, sagt er werbend.

Jetzt sind die Studenten gefragt

Dass sich an den bisherigen Zeiten etwas ändert, glaubt er allerdings derzeit nicht. „Eigentlich muss dieser Vorstoß von den Studenten kommen, denn die Professoren haben sich im bisherigen Rhythmus gut eingerichtet und mit der Situation arrangiert“, sagt er. Manchen Professoren und Dozenten gefalle es sogar, für Vorlesungen nicht mehr extra auf den Campus kommen zu müssen, wenn diese auch digital abgehalten werden können. Die Planungen für Kongresse und Symposien seien außerdem langfristig am bisherigen akademischen Jahr orientiert, das in Deutschland seit jeher im Oktober beginnt. Würden die deutschen Universitäten bei ihren Vorlesungszeiten Heinigs Ansinnen folgen, passten sie sich eigentlich nur dem internationalen Rhythmus an. In der Bundesrepublik praktiziere das bislang nur die Universität Mannheim so.

Für viele Wissenschaftler sei der im internationalen Vergleich asynchrone Ablauf allerdings vorteilhaft, weiß Heinig zu berichten. Schließlich hätten sie so die Möglichkeit, im selben Jahr in Deutschland und im Ausland einen Lehrauftrag wahrzunehmen. Die Beharrungskräfte dürften also recht groß sein. Zudem wäre es sinnvoll, würden sich die Universitäten (und auch die Fachhochschulen) zu einem koordinierten Vorgehen entschließen, damit auch der Wechsel zwischen den Hochschulen für die Studenten nicht komplizierter wird. Ein solcher Schritt scheint die Angelegenheit allerdings eher noch komplizierter zu machen. Schon jetzt gibt es im Detail zahlreiche Unterschiede bei den Semesterzeiten, etwa zwischen den Universitäten und den Fachhochschulen aber teilweise auch zwischen einzelnen Disziplinen.