Pro & Contra zur Gauck-Nachfolge: Ist Frank-Walter Steinmeier der richtige Kandidat?
Darum geht es: Am 12. Februar 2017 soll die Bundesversammlung in Berlin den nächsten Bundespräsidenten wählen. Die SPD hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier für die Nachfolge von Joachim Gauck vorgeschlagen. Wäre Steinmeier der richtige Kandidat? Ein Pro & Contra aus der Rundblick-Redaktion.
PRO: Ein Bundespräsident, der anti-europäischen Populisten die Stirn bietet und dies Kraft seiner politischen Erfahrung auch kann: Frank-Walter Steinmeier ist gerade jetzt genau der richtige Kandidat, meint Martin Brüning.
Es ist immer wieder frappierend, wie schwer es Bundeskanzlerin Angela Merkel jedes Mal fällt, einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zu finden. Nach ihren Fehlgriffen Horst Köhler und Christian Wulff, die mit ihren Rücktritten eine ungewohnte Unruhe ins Schloss Bellevue brachten, taten sich die Kanzlerin und ihre CDU vor fast fünf Jahren ebenfalls schwer bei der Kandidatensuche. Viele haben inzwischen vergessen, oder möchten es gerne vergessen, dass es damals FDP-Chef Philipp Rösler war, der Joachim Gauck als Bundespräsidenten durchsetzte – gegen den Willen der Kanzlerin.
Auch im Jahr 2016 ist es der Koalitionspartner, der der Kanzlerin einen geeigneten und mehr als wählbaren Kandidaten vor die Nase setzt. Man kann dem Taktieren von SPD-Chef Sigmar Gabriel oder den Ränkespielen der Parteien in diesem Zusammenhang skeptisch gegenüberstehen – fest steht aber: Dabei muss kein schlechter Kandidat herauskommen. In diesem Fall ist es sogar ein hervorragender Kandidat.
Dabei ist es nicht ausschlaggebend, aber es muss auch mit Sicherheit kein Malus sein, dass Steinmeier der beliebteste Politiker im Land ist. Im aktuellen ZDF-Politbarometer liegt Steinmeier vor Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Finanzminister Wolfgang Schäuble auf Platz 1 der Liste. Die Deutschen schätzen und respektieren Frank-Walter Steinmeier. Und sie vertrauen ihm. Das ist doch schon ziemlich viel in einer Zeit, in der „die Politik“ und „die da oben“ an so vielem immer wieder Schuld tragen sollen.
Es stimmt, Steinmeier ist kein Volkstribun. Er ist kein flammender Redner, der die Menschen auf dem Marktplatz Kraft seiner Worte zum Stehenbleiben bringt. Er ist niemand, der mit einem Satz mehr sagen kann, als andere mit zehn Absätzen. Aber: Ist es das, was wir von einem Bundespräsidenten erwarten?
Deutschland ist umgeben von Krisen und Konflikten. Der Krieg in Syrien dauert an, in der Türkei beobachten wir demokratische Rückschritte, die Wählerschaft in den USA ist gespalten – egal, wie die Wahl heute Nacht ausgehen mag, und das Vertrauen in die Europäische Union ist erodiert. Ist es nicht genau jetzt an der Zeit für einen weltmännischen Bundespräsidenten, der sich auskennt und mit diesen Themen umzugehen weiß? Einen Repräsentanten, der sich bereits in seiner Zeit als Außenminister für Frieden und Verständigung eingesetzt hat und dafür weltweit respektiert wird?
Die europäische Integration sei sehr viel mehr als die Summe technischer Verfahren und gültiger Harmonisierungen, schreibt Steinmeier in seinem aktuellen Buch „Europa ist die Lösung“. Und weiter: „Ihr tieferer Sinn ist tatsächlich die Frage von Krieg und Frieden: nämlich die Überwindung all jener Faktoren und Kräfte, die in der Vergangenheit – nicht erst im 20. Jahrhundert, hier aber ganz besonders – Krieg und Elend über den alten Kontinent gebracht haben.“
Ein Bundespräsident, der anti-europäischen Populisten die Stirn bietet und dies Kraft seiner politischen Erfahrung auch kann: diesen Bundespräsidenten möchte ich haben. Frank-Walter Steinmeier ist gerade jetzt genau der richtige Kandidat.
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CONTRA: Frank-Walter Steinmeier ist als Bundespräsident ungeeignet, meint Klaus Wallbaum:
Drei Gründe sprechen gegen den derzeitigen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier als neuen Bundespräsidenten. Erstens: Er ist zwar ein guter Diplomat, aber kein guter Redner. Zweitens: Er ist ein Parteisoldat, der nie durch Abweichungen vom Mainstream seiner Partei aufgefallen ist. Drittens: Er ist ein Mann.
Frank-Walter Steinmeier ist beliebt, fürwahr. Aber nicht, weil er Deutschland in der Welt so gut vertreten würde, denn diese Aufgabe erfüllt er gar nicht, sie übernehmen Joachim Gauck und Angela Merkel. Nein, Steinmeier ist ein guter Krisenmanager, der das diplomatische Spiel versteht – Kontakte hinter den Kulissen, Streithähne zusammenführen, sich auf schwieriges Terrain begeben. Da kann er im Iran die Reformer zu Zugeständnissen bewegen, ohne dass die Hardliner in Israel aufschreien. Und er vermag einen heißen Draht zu Wladimir Putin in Moskau zu halten, ohne den zu Petro Poroschenko in Kiew abkühlen zu lassen. Ein guter Redner ist Steinmeier bei alledem nie gewesen, vielmehr versteht er es wie viele Politiker, mit reichlich Worten wenig auszudrücken. Mag sein, dass er als Bundespräsident sich schnell umstellen und plötzlich ein ungeahntes Redetalent beweisen würde. Aber das wäre dann eine große Überraschung – und Steinmeier wäre dann wohl nicht mehr Steinmeier. Wir brauchen aber einen authentischen Bundespräsidenten.
Steinmeier ist eben nicht nur SPD-Mitglied, sondern schon sehr lange eine SPD-Spitzenkraft. Er hat sich hochgedient in der Partei bis ganz an die Spitze als Kanzlerkandidat – und es ist nicht bekannt, dass er auf dem Weg dahin irgendeinen öffentlichen Konflikt eingegangen wäre oder sonst irgendwie Profil gezeigt hätte. Steinmeier startete als Gerhard Schröders Medienreferent, dann Gerhard Schröders Büroleiter, Abteilungsleiter in Gerhard Schröders Staatskanzlei, Chef von Gerhard Schröders Staatskanzlei, Chef von Gerhard Schröders Kanzleramt und schließlich in der Nach-Schröder-Zeit Bundesaußenminister. Als er Kanzlerkandidat war, klangen manche seiner Reden, als würde sein einstiger Chef sprechen. Das kam nicht an. Es ist kein Fehler, wenn ausgewiesene Parteipolitiker Staatsoberhäupter werden. Doch die wirklich guten in dieser Reihe standen immer am Rand ihrer Partei oder sie lagen mitunter quer zum breiten Strom – Gustav Heinemann etwa, der erst in der CDU und dann in der SPD war, oder Richard von Weizsäcker oder Roman Herzog. Steinmeier stand immer irgendwie oben, er zeigte selten Ecken und Kanten.
Kann der schon seit Jahrzehnten erhobene, nie verwirklichte Ruf nach der ersten Frau auf dem Präsidentenstuhl verstummen, weil wir als mächtigste Politikerin eine Kanzlerin haben – die das auch bleiben könnte? Nein, denn die Aufgaben sind grundverschieden. Wer immer die Regierung führt, muss politische Leitlinien vorgeben, Reformen durchsetzen und auch umstrittene Schritte gehen. Das Staatsoberhaupt muss die Gesellschaft zusammenführen, Brücken bauen und Verständnis wecken. Es darf sich nicht anbiedern, sondern muss klare, unabhängige Positionen vertreten. Es darf Gruppen wie die Anhänger der Rechtspopulisten nicht ausgrenzen, sondern muss ihnen Wege zur Rückkehr in die demokratische Gesellschaft ebnen. Es gibt Frauen, die das können. Margot Käßmann wäre eine von ihnen. Sie ist Persönlichkeit genug, um nie im Verdacht zu sein, zu sehr einer politischen Richtung verpflichtet zu sein. Sicher, sie ist im Unterschied zu Steinmeier in der Bundesversammlung bisher kaum mehrheitsfähig. Aber besser als der amtierende Bundesaußenminister wäre sie allemal.