Zeitungssterben hat dramatische Folgen
Aus den Positionen von Srnicek und Lauer wird Unbehagen spürbar: Die Medienwelt verändert sich rasant, die Bedingungen der Auswahl von Informationen sind für diejenigen, die etwa Facebook nutzen, keineswegs nachvollziehbar. Damit wächst die Gefahr der Manipulation und des Missbrauchs. Das allmähliche Sterben der Zeitungen hat dramatische Folgen. In den USA etwa gibt es eine Studie, wonach 45 Prozent der US-Amerikaner Facebook als Nachrichtenquelle nutzen – die Hälfte davon wiederum mittlerweile als einzige Nachrichtenquelle. Gerade die junge Generation verlässt sich immer stärker auf soziale Medien, allen Schwankungen bei der Nutzung und allen Veränderungen der sich im rasanten Tempo ändernden Formen zum Trotz. Damit wird die Frage relevant, wie die Informationen sortiert werden, bevor sie den Nutzern angeboten werden. Das Problem der „Filterblase“ entsteht: Präsentiert wird oft primär das, was den Ansichten, Neigungen und Interessen des Nutzers entspricht. So verstärken sich vorgeprägte Meinungen, zusammen mit den „Freunden“, die meist die gleiche politische Ansicht teilen, bewegt man sich in einem geschlossenen Kreis und bestätigt sich ständig gegenseitig. Das kann die Radikalisierung verstärken und zur Abschottung gegenüber anderen Positionen beitragen, es kann zur Entwöhnung des notwenigen intellektuellen Disputs beitragen. Man verlernt die Auseinandersetzung.Lesen Sie auch: Pro & Contra: Brauchen wir Steuersenkungen? Ist die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Leute sinnvoll?
Dahinter steckt noch ein anderes Problem, die Frage nämlich, nach welchen Kriterien Facebook steuert, wer welche Informationen zuerst und besonders angeboten bekommt. Dieses Regelwerk ist und bleibt das Geschäftsgeheimnis von Facebook, da mag Mark Zuckerberg noch so viel von Transparenz und Offenheit reden. Es ist für Außenstehende nicht einsehbar. Hinter den Rufen nach Verstaatlichung von Facebook, die mehr oder weniger entschieden vorgetragen werden, steckt nun eine besondere Sorge: Wenn Facebook als Wirtschaftskonzern seine Daten verkaufen muss, um sich weiterentwickeln und florieren zu können, dann kann diese Datenmacht zum Instrument von reichen Geschäftspartnern mit politischen Interessen werden. Dies gilt umso mehr, als Facebook durch Zukäufe in diesem Bereich eine „marktbeherrschende Stellung“ erfährt. Auf diese Weise können Facebook-Nutzer als Kunden gesteuert – und auch mit manipulierter Informationsauswahl als Stimmbürger vor Wahlen beeinflusst werden. Der Prozess ist nicht auf Facebook und die Medienwelt beschränkt. In der Arbeitswelt hält die Digitalisierung immer stärker Einzug – und so wird es künftig über Algorithmen ebenfalls möglich werden, das Verhalten der Arbeitnehmer im Detail zu lenken und deren perfekte Überwachung zu organisieren. Die Datenprofile, die etwa Facebook über jeden seiner Nutzer vorrätig hat, sind dabei ein wichtiges Kapital – für politische Parteien ebenso wie für Warenanbieter, für Arbeitgeber wie für den Staat. Ein erheblich verschärftes und mit extrem hohen Bußgeldern bewährtes Datenschutzrecht, das gerade erst von der EU mit der neuen Datenschutzgrundverordnung festgelegt wurde, ist dabei eine Antwort. Aber reicht diese aus?