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Um das Problem zu lösen, sind nun zwei Instrumente in Kombination vorgesehen: Zum einen ein dreistufiges Tierwohllabel, das dem Konsumenten anzeigt, unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten wurden. Zum anderen eine Tierwohlabgabe, mit der langfristig der Umbau von Ställen finanziert werden soll, um den Anteil der guten Haltungsbedingungen zu erhöhen. Zu Beginn des Jahres hat dazu die sogenannte Borchert-Kommission unter Leitung des früheren Bundesagrarministers Jochen Borchert (CDU) einen ambitionierten Plan vorgestellt. Damals wurde erstmals deutlich, wie radikal der bevorstehende Wandel werden könnte. Auch Borchert sprach von nicht weniger als einem Systemwechsel – einer nahezu vollständigen Abkehr von der Massentierhaltung innerhalb der kommenden 20 Jahre. Das Ziel, auf das sich die Kommission verständigt hatte: Bis 2040 soll die zweite Stufe des Tierwohllabels zum Standard werden, die Produkte der höchsten Stufe, also nahe Öko-Standard, sollen bis dahin mindestens zehn Prozent Marktanteil erzielen. Um das Ziel zu erreichen, schlägt die Kommission einen Deal zwischen Landwirten und Staat vor: Der Staat erhebt künftig eine Sonderabgabe auf alle tierischen Produkte. Die Nutztierhalter verpflichten sich im Gegenzug, ihre Lebensmittelproduktion gemäß den politischen Vorgaben umzustellen. Sie erhalten dafür langfristig garantierte Ausgleichszahlungen. Die Gefahr, dass sich der kostspielige Umbau eines Stalls am Markt nicht refinanzieren könnte, weil der Kunde die Produkte verschmäht, soll dadurch abgewendet werden. Flankiert werden soll diese Finanzierungshilfe für Stallneubauten durch Erleichterungen im Baurecht – denn häufig stehen derzeit die gesetzlichen Vorgaben dem Tierwohl im Wege.
Der Konsument ist furchtbar inkonsequent
Borchert-Plan und Tierwohllabel sind in Kombination der Versuch, den gordischen Knoten der deutschen Nutztierhaltung zu zerschlagen. Die Grundannahme ist die Erkenntnis, dass weder Verbote allein noch der Markt allein das Problem bei der Nutztierhaltung werden lösen können. Verbote, wie etwa das häufig kritisierte Kürzen von Schnäbeln bei Hühnern oder der Ringelschwänze bei Schweinen, würden global betrachtet wenig bringen. Die hiesige Nutztierbranche würde größtenteils ins Straucheln kommen, die Nachfrage nach günstigem Fleisch würde aber von ausländischen Betrieben bedient – zu ebenfalls schlechten Haltungsbedingungen.