23. März 2022 · 
Soziales

Mobbing? Wie die Kirche einen Staatssekretär a. D. angreift – und einlenkt

Weihbischof Wilfried Theising (links) liegt im Streit mit dem früheren Staatssekretär Josef Lange – und zeigt sich offenbar einsichtig. | Foto: Offizialat Vechta, MHH/Nico Herzog, Pius-Hospital

Der Plan war wohlüberlegt – und schien ganz nah vor seiner Umsetzung zu sein. Dann aber kam ein Machtwort dazwischen, und bis zum 23. März war alles wieder ungewiss und der Ärger riesengroß. In Oldenburg gibt es drei Krankenhäuser, das städtische Klinikum mit etwa 800 Betten, ein evangelisches und ein katholisches Krankenhaus, beide haben jeweils etwa 400 Betten. Da landesweit derzeit die Kliniklandschaft reformiert wird und kleine Einheiten zu größeren, leistungsfähigeren zusammengelegt werden sollen, machten sich auch Experten in Oldenburg an die Arbeit. Das Ziel war, die beiden kirchlichen Krankenhäuser zu einer gemeinsamen Einrichtung zu verschmelzen. Das sollte „auf Augenhöhe“ geschehen, sagt der frühere niedersächsische Wissenschafts-Staatssekretär Josef Lange, ein katholischer Theologe, langjähriger Hochschul- und Medizin-Experte und eine Kapazität auf dem Gebiet von Vertragsverhandlungen. Aber das Vorhaben wurde dann zwischenzeitlich aufgehalten, und zwar aus irrationalen Gründen. Nun ist alles wieder offen, denn anscheinend zeigt sich der widerstrebende Oldenburger Weihbischof reumütig.

Weihbischof enthebt Staatssekretär a.D. des Amtes

Was zunächst so reibungslos lief, offenbarte bald darauf, Ende Februar, großen Konfliktstoff. Als sich Anfang des Jahres abzeichnete, wie eine Fusion aussehen könnte, stellte sich die Kirchenleitung der Katholiken quer. Lange und die drei anderen Verwaltungsratsmitglieder – ein Jurist aus Köln, ein Bauingenieur aus Oldenburg und ein Wirtschaftsprüfer aus Westerstede, wurden am 2. März von Weihbischof Wilfried Theising aus Vechta des Amtes enthoben, und zwar wegen „grober Pflichtverletzung“, wie es heißt. Lange, einst Wissenschaftsstaatssekretär in Hannover, Mitglied in etlichen Hochschulräten und wissenschaftlichen Gremien, Berater der deutschen Bischofskonferenz und Vorsitzender des Rates für deutsche Rechtschreibung, ließ das nicht auf sich sitzen.

Man kann mir sicher vieles vorwerfen, aber nicht, dass ich Recht gebrochen hätte.

Josef Lange, Staatssekretär im Wissenschaftsministerium a.D.

„Man kann mir sicher vieles vorwerfen, aber nicht, dass ich Recht gebrochen hätte“, sagte er vorige Woche im Rundblick-Gespräch empört. Der Weihbischof hatte seine Verfügung über die Absetzung per Boten von Vechta nach Westerstede, Oldenburg, Hannover und sogar bis nach Köln bringen und in die jeweiligen Briefkästen der Adressaten einwerfen lassen – der bischöfliche Gesandte fuhr für diesen Botendienst einen weiten Weg. Über fünf Seiten lang war das Schreiben, das wie eine fristlose Kündigung verfasst war – für ehrenamtlich engagierte Mitarbeiter, denen nur das Wohl der Klinik am Herzen lag und die sich ohne Honorar für die Sache engagiert hatten.

Lange und seine Kollegen sind über dieses Vorgehen verstimmt und verletzt. Sie riefen Weihbischof Theising auf, die Verfügung zurückzunehmen – zumal er ihnen vorher das rechtliche Gehör nicht gewährt habe. Alles sah nach einer Eskalation aus, und Lange überlegte schon den nächsten Schritt – es bliebe noch der Weg zur nächsthöheren Instanz, zum Bischof in Münster. Darüber stünde dann der Papst. Aber ob der Zeit für solche Fragen hätte? Das kirchliche Rechtswesen ist bei den Katholiken noch relativ schwach entwickelt, vielleicht wegen der jahrhundertealten Hierarchie der Kirche, die auch heute noch oft genug fraglos akzeptiert wird. Aber die Zeiten wandeln sich.

Lange und Kollegen protestieren gegen Absetzung

Der Weihbischof hatte seine Verfügung über die Absetzung per Boten von Vechta nach Westerstede, Oldenburg, Hannover und sogar bis nach Köln bringen und in die jeweiligen Briefkästen der Adressaten einwerfen lassen – der bischöfliche Gesandte fuhr einen weiten Weg. Über fünf Seiten lang war das Schreiben, das wie eine fristlose Kündigung verfasst war – für ehrenamtlich engagierte Mitarbeiter, denen nur das Wohl der Klinik am Herzen lag und die sich ohne Honorar für die Sache engagiert hatten. Lange und seine Kollegen sind über dieses Vorgehen verstimmt und verletzt. Sie riefen Weihbischof Theising auf, die Verfügung zurückzunehmen – zumal er ihnen vorher das rechtliche Gehör nicht gewährt habe. Wenn das Offizialat auf der Entscheidung beharren sollte, bliebe noch der Weg zur nächsthöheren Instanz, zum Bischof in Münster. Darüber stünde dann der Papst. Aber ob der Zeit für solche Fragen hätte? Das kirchliche Rechtswesen ist bei den Katholiken noch relativ schwach entwickelt, vielleicht wegen der jahrhundertealten Hierarchie der Kirche, die auch heute noch oft genug fraglos akzeptiert wird. Aber die Zeiten wandeln sich.

Keine Ökumene bei Krankenhaus-Verwaltung erwünscht?

Was war genau vorgefallen? Unverständlich erscheint nicht nur die Form, in der ein Weihbischof mit Ehrenamtlichen herumspringt, sondern auch der Inhalt. Klar ist, dass die mit dem geplanten neuen niedersächsischen Krankenhausgesetz heraufgesetzten Mindeststandards für „Schwerpunktkliniken“ Konsequenzen haben: Jeweils für sich allein könnten weder das katholische Pius-Hospital noch das evangelische Klinikum dauerhaft bestehen, die Fusion liegt damit nah. Klar war für Lange und seine Kollegen ebenso, dass zwei gleichgroße Krankenhäuser nur vereinigt werden könnten, wenn beide Seiten 50 Prozent an Macht und Einfluss haben und nicht der eine den anderen über den Tisch ziehen kann.

Lange hält das auch für rechtshistorisch abgesichert, denn in einem Vertrag des Vechtaer Offizialats mit dem Oldenburgischen Staatsministerium von 1879, nach dem von Bismarck angezettelten Kulturkampf in Preußen, ist eindeutig festgehalten: Das katholische Pius-Krankenhaus muss Kranke unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit behandeln und deren Glaubenseigenarten respektieren. Im jetzt von Lange und seinen Kollegen mit der evangelischen Seite ausgehandelten Fusionsvertrag wurden, wie Insider berichten, dann auch lediglich zwei Themen vor die Klammer gezogen: In der vereinigten Klinik dürfen Schwangerschaftsabbrüche nur dann vorgenommen werden, wenn die Frau vergewaltigt wurde oder es medizinische Gründe gibt, außerdem ist der assistierte Suizid nicht gestattet. „Auf einige Detailregeln konnten wir uns sehr rasch verständigen“, sagt Lange, die evangelische Seite willigte in die katholischen Bedenken ein. Damit schien alles aus dem Weg geräumt zu sein. Bis Ende Februar der Weihbischof dazwischenfunkte

Weihbischof fordert katholische Mehrheit bei Fusion

Dieser sah die Sache bis zum 23. März ganz offensichtlich anders. Als die Unterhändler Anfang des Jahres ihre Zwischenergebnisse vorlegten, soll Theising auf Nachverhandlungen gedrängt haben – mit dem Ziel, dass das Pius-Krankenhaus (obwohl von der Kopfzahl etwas weniger Beschäftigte als die evangelische Klinik) in dem neuen Verbund die Mehrheit haben müsse. Lange und seine Kollegen sprachen noch einmal mit der evangelischen Seite, fanden aber keine Bereitschaft zu einer Änderung des ausgehandelten und bereits paraphierten Vertrages. Offenbar stand der Weihbischof auf dem Standpunkt, dass die 1879 festgelegten Bedingungen für das Pius-Krankenhaus bedeuten, dieses müsse „ein katholisches Krankenhaus“ sein.

Heißt das dann zwingend, dass die katholische Kirche das Sagen haben muss? So jedenfalls interpretieren Lange und seine Kollegen die damaligen Festlegungen nicht. Man hört aber auch, dass noch andere Fragen zu der rabiaten Haltung des Weihbischofs beigetragen haben sollen, nämlich die Tatsache, dass die katholischen und evangelischen Unterhändler in der Oldenburger Tageszeitung abgebildet waren. Ging Lange damit zu weit? Er betont, sich strikt an die Vorgaben gehalten zu haben.

Will Theising einen katholischen Krankenhaus-Verbund?

Inzwischen hatte der Vorgang in Oldenburg ein großes Medienecho ausgelöst, bei dem der Weihbischof nicht gut aussieht – und zuweilen wurde er mit seinem umstrittenen Kölner Amtsbruder Kardinal Woelki verglichen, was die wenig einsichtigen und autoritären Umgangsformen angeht. Was trieb Theising? Wollte er womöglich das Pius-Krankenhaus unter die Fittiche eines katholischen Krankenhauses in Quakenbrück nehmen, also einen rein katholischen Verbund begründen? Das wäre, heißt es in Oldenburg, nach all den intensiven Verhandlungen ein Affront. Auf die Frage nach den Gründen für den drastischen Schritt gegen den Verwaltungsrat teilte der Sprecher des Weihbischofs am 17. März mit, die geplante neue Satzung sei „mit dem Stifterwillen nicht vereinbar“ und nicht genehmigungsfähig gewesen. Da aber der Verwaltungsrat den Prozess dennoch „unverändert fortbeschritten und durch weitere Maßnahmen gefördert und manifestiert“ habe, sei er abberufen worden.

Am 23. März nun kam die Wende, womöglich begünstigt durch ein internes Rechtsgutachten, das ganz im Sinne von Lange ausgefallen sein soll. Jedenfalls ließ Theising erklären, dass er weiter Interesse an einer Fusion der beiden Kliniken „auf Augenhöhe“ habe. Auch die Rücknahme der Entlassung der Verwaltungsratsmitglieder bot er an. Das Offizialat erklärte, alle Beteiligten sollten „rehabilitiert“ werden. Das klingt nun ganz so, als ob die Sache doch noch zu einem friedlichen Ende führen könnte.

Dieser Artikel erschien am 22.3.2022 in Ausgabe #054.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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