Parteien klagen über zunehmenden Vandalismus gegen ihre Wahlplakate
Beschmiert, heruntergerissen, angezündet: Vandalismus gegen Wahlplakate ist nicht neu, doch die Intensität und das Ausmaß scheinen in diesem Jahr spürbar zugenommen zu haben. Diesen Eindruck teilen die allermeisten Ansprechpartner der im Bundestag vertretenen Parteien, bei denen das Politikjournal Rundblick nachgefragt hat. „Nach einer noch sehr groben Schätzung werden etwa ein Fünftel der Plakate mutwillig zerstört, beschmiert oder beschädigt. Das ist deutlich mehr als in allen anderen Wahlkämpfen zuvor“, erklärte beispielsweise Heike Köhn, Pressesprecherin der niedersächsischen Grünen.
„Sehr oft werden die Plakate einfach beschmiert oder zerstört, es gibt aber auch hier und da Parolen oder Hakenkreuz-Schmierereien. Das ist besonders widerwärtig.“
Auch Sebastian Lechner, Generalsekretär der Niedersachsen-CDU, bekommt nach eigenen Angaben von seinen Kreisverbänden immer wieder geschildert, dass Plakate beschädigt wurden und dies dann zur Anzeige gebracht werden musste. „Sehr oft werden die Plakate einfach beschmiert oder zerstört, es gibt aber auch hier und da Parolen oder Hakenkreuz-Schmierereien. Das ist besonders widerwärtig“, sagte der Landtagsabgeordnete. AfD-Landeschef Jens Kestner erklärte gegenüber dem Rundblick, es sei landesweit so, dass viele AfD-Plakate einfach gestohlen würden und dann nicht mehr auffindbar seien. „Bei mir im Kreis Northeim betrifft das drei Viertel unserer Plakate. Am Abend hängen wir sie auf – und am nächsten Morgen sind sie dann verschwunden. Was die Großflächen der AfD angeht, ist schon versucht worden, diese in Brand zu stecken“, berichtete er.
Linke und Grüne sprechen von Hochburgen des Vandalismus
Allein die Sozialdemokraten teilen die Einschätzung nicht, dass es beim diesjährigen Wahlkampf einen Anstieg beim Vandalismus gegeben hat. Eine Parteisprecherin meinte, dass sich die mutwilligen Zerstörungen vielmehr im inzwischen leider „üblichen“ Rahmen bewege. Die niedersächsischen Linken legen derweil Wert auf eine differenziertere Betrachtung des Geschehens. Es gebe „Hochburgen“ der Zerstörung, die aber regional und teilweise auch zeitlich begrenzt seien, erklärte Landesgeschäftsführer Christoph Podstawa.
Von derartigen Hochburgen können auch die Grünen berichten. „Aus dem Emsland, aus dem Landkreis Rotenburg und aus dem Raum Lüneburg wurde uns gemeldet, dass dort in einigen Orten in manchen Nächten fast alle Plakate abgerissen wurden“, erzählte Parteisprecherin Köhn. Sie ist sich auch sicher, dass es sich dabei um vorbereitete Aktionen handeln muss. „Da die Plakate so aufgehängt sind, dass man nur mit einer Leiter rankommt, passiert das auch nicht einfach spontan im Vorbeigehen, sondern ganz gezielt. Zum Teil haben die Grünen vor Ort Plakate dreimal in der Woche wieder ersetzen müssen.“
Schaden von mehreren tausend Euro
Über die Gesamtsumme des so entstandenen Schadens können die Parteivertreter allesamt nur spekulieren – auch deshalb, weil die Plakate zur Kommunalwahl dezentral beschafft werden. Lechner von der CDU wagt jedoch die grobe Schätzung, dass es in der Gesamtheit um tausende Euro gehen müsse. Sein FDP-Kollege Konstantin Kuhle meinte, die Summe dürfte im vier- bis fünfstelligen Bereich liegen. Der Schaden treffe dabei selten die Partei, erklärte er, sondern viel häufiger die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker, die ihre Plakate selbst bezahlten.
„Da die Plakate so aufgehängt sind, dass man nur mit einer Leiter rankommt, passiert das auch nicht einfach spontan im Vorbeigehen, sondern ganz gezielt.“
Doch woran liegt es, dass die Wahlplakate in diesem Jahr so besonders leiden müssen? Linken-Geschäftsführer Podstawa tippt darauf, dass viele Menschen ihren Frust über die Verhältnisse und Entwicklungen an den Plakaten ausließen. „Ich nehme ein Misstrauen gegenüber etablierten Parteien und ein Glaubwürdigkeitsproblem wahr. Die Situation von Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen wird immer angespannter, obwohl seit Jahrzehnten versprochen wird, die Situation der Mehrheit der Bevölkerung zu verbessern“, sagte er. Die Grünen hingegen führen die Aggressionen gegen ihre Plakate auf ihre Inhalte zurück. „Wir Grünen haben gerade im Hinblick auf die Erfordernisse des Klimaschutzes und den Umgang mit Geflüchteten das ambitionierteste Programm“, führte Köhn aus. „Wir sind das Feindbild der Rechten, was man ja auch an der Plakatkampagne gegen uns sehen kann, die von David Bendels, der auch schon für die AfD geworben hat, mit seiner Agentur initiiert wurde.“ Ihre Mutmaßung ist, dass diese Kampagne noch mehr Menschen dazu angestachelt habe, vor allem den Grünen schaden zu wollen.
Da die Grünen jedoch nicht die alleinigen Leidtragenden sind, liegt die Ursache vielleicht doch tiefer? CDU-Generalsekretär Lechner meint diese in einer zunehmenden Enthemmtheit und Verrohung zu erkennen, die man bereits seit längerem in den sozialen Medien beobachten könne. Diese Einschätzung teilt auch FDP-Generalsekretär Konstantin Kuhle und verweist dabei unter anderem auf die Querdenker-Bewegung und Verschwörungstheorien, die seit der Corona-Pandemie Auftrieb erleben. „Leider ist den Menschen oft nicht klar, wie nah gerade Kommunalpolitik am Leben der Menschen stattfindet“, sagte Kuhle. „Die Kandidatinnen und Kandidaten, die die Plakate aufhängen, wohnen oftmals im selben Dorf wie diejenigen, die sie beschädigen oder abreißen.“