Nun muss auch die Kultur-Abteilungsleiterin im Wissenschaftsressort ihren Posten räumen
Über Annette Schwandner, die Leiterin der Kulturabteilung im Wissenschaftsministerium, kann man trefflich diskutieren. Sie ist unbestreitbar gut vernetzt in der Szene, hat viele Kontakte und genießt eine hohe fachliche Autorität. Aber in der internen Arbeit in ihrer Behörde hakte es hin und wieder. Kritiker werfen ihr einen Mangel an konsensualem Führungsstil vor. Das konnte den Minister Björn Thümler, einen auf Ausgleich und gute Stimmung bedachten Politiker, nicht kalt lassen. In der Sommerpause wurde intern überraschend mitgeteilt, dass Schwandner im neuen Jahr eine neue Aufgabe bekommt. Sie leitet künftig eine ministeriumsinterne Stabstelle, die sich mit „Sonderaufgaben“ befasst – unter anderem auch mit dem Grenzdurchgangslager Friedland, das immer stärker einen Museumscharakter annimmt und daher vom Innen- ins Wissenschaftsministerium herüberwandert, samt entsprechendem Referat.
Der Wechsel geschieht „im gegenseitigen Einvernehmen“, heißt es – und bekannt war auch, dass die Abteilungsleiterin gern eine neue Aufgabe annehmen wollte, was jetzt auch passiert. Trotzdem wird auf den Fluren des Ministeriums von Schwandners „Entmachtung“ gesprochen. Denn eines ist auch klar: Als Kopf einer Stabsstelle, die Staatssekretärin Sabine Johannsen zugeordnet ist, hat Schwandner sehr viel weniger Personal unter sich als bisher. Wer künftig ihre Nachfolge im alten Amt antritt und der Kopf der Kulturarbeit in Niedersachsen werden soll, ist noch unklar, Thümler hüllt sich in Schweigen.
Diese Frage scheint gegenwärtig auch nicht vorrangig, denn der Vorgang an sich ist regierungsintern schon spektakulär genug. Der Wissenschaftsminister von der CDU, der im Wahlkampf noch Schatten-Finanzminister war und dem der Ruf vorauseilte, eher bedächtig, zurückhaltend und abwägend zu agieren, entwickelt sich zum wahren Aufräumer in seinem Haus. Kein anderer Minister hat es bisher gewagt, derart konsequent im Konflikt mit der Führungsschicht seines eigenen Ministeriums vorzugehen und Fakten zu schaffen. Dabei hatten viele das dem stets freundlichen Thümler am wenigsten zugetraut.
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Es fing an mit dem Wechsel vor anderthalb Jahren mit dem Weggang des Leiters der Referatsgruppe Z, einer Abteilung vergleichbar, Frank-Thomas Hett. Der Jurist ging zurück ins Justizministerium, stieg dort erst vor wenigen Tagen zum Abteilungsleiter auf – und im Gegenzug kam eine Referatsleiterin aus dem Wirtschaftsressort ins Wissenschaftsministerium. Neben der Referatsgruppe gibt es nun noch drei Abteilungen – für Forschung, für Hochschulen und für Kultur.
Zwei dieser drei Abteilungen wurden von CDU-Leuten geleitet, einer von einem, der der SPD nahesteht. Kurz vor der Sommerpause landete Thümler den ersten Paukenschlag, als er den langjährigen Leiter der Hochschulabteilung, Carsten Mühlenmeier, aus dem Amt entfernte. Mühlenmeier ist ein Christdemokrat, ein höchst selbstbewusster Beamter zudem – und einige sagen, er sei sich seines Amtes vielleicht zu sicher gewesen.
Mit Thümler soll er öfter aneinandergeraten sein. Jetzt wird der 52-Jährige zur Landeshochschulkonferenz abgeordnet, der Vereinigung der Uni-Präsidenten. Er soll ein Konzept entwickeln, wie der enorme Sanierungsbedarf an den Hochschulen finanziert werden kann. Dazu wird es auch ein Gutachten geben. Maximal fünf Jahre lang kann Mühlenmeier auf diese Art und Weise an die Landeshochschulkonferenz „ausgeliehen“ werden. Mindestens für diesen Zeitraum räumt er seinen Posten im Ministerium.
Schwandners Abgang soll kaum Bedauern im Ministerium ausgelöst haben
Dabei gibt es zwischen Mühlenmeier und Schwandner einige Unterschiede: Mühlenmeier hatte die Mitarbeiter der Abteilung auf seiner Seite, sogar von zeitweiliger „Konfrontation“ der Mitarbeiter mit der Hausspitze war die Rede. Schwandners Abgang soll hingegen kaum Bedauern im Ministerium ausgelöst haben. Dass die Veränderungen nun eine Welle großer Zufriedenheit im Ressort auslösen würden, ist aber auch nicht zu erwarten.
Im Ministerium herrscht gebannte Erwartung, da Thümler auch auf der mittleren Ebene einige Umbesetzungen verfügt. Das alles hatte schon im Mai in einem neuen Organisationsschema gegipfelt. Weitere Veränderungen würden folgen, heißt es – und das alles bedeutet für eine Behörde, die über Jahrzehnte kaum größere Bewegung auf der personellen Ebene erlebte, große Aufregung und Verunsicherung. Begleitet wird alles auch mit forschen inhaltlichen Reformüberlegungen von Minister und Staatssekretärin: Das Mammutprojekt der Neubauten für die beiden Uni-Kliniken in Hannover und Göttingen erfordert Kraftanstrengungen, in diesem Zuge soll die MHH mehr Selbstständigkeit bekommen. Dieses Vorhaben war jahrzehntelang derart umkämpft, dass an der Stelle nichts geschehen war. Ein Modell für die Hochschul-Investitionen wird ausgetüftelt, mit dem Friedland-Museum wird auch die Erinnerungsarbeit neu strukturiert.
Ganz nebenbei könnte mit diesem Neuzuschnitt nun endlich auch die Aussiedlerbeauftragte Editha Westmann den nötigen personellen Unterbau bekommen, den sie lange vergeblich gefordert hatte. Außerdem gilt Thümler als Anhänger einer zentralen Schlösser-Verwaltung, die – am Vorbild Bayerns und Baden-Württembergs – die baulichen Schätze der vergangenen Jahrhunderte verknüpfen kann. Hier bremse eher die SPD, heißt es. Auch das Finanzministerium sehe die Sache skeptisch. Schwandner soll einen Vorschlag entwickeln.
Inhaltliche Belebung durch personelle Auffrischung
Ganz scheint es, als bringe die personelle Auffrischung auch eine inhaltliche Belebung mit sich. Die Zustände im Wissenschaftsministerium sind dabei schon einzigartig. Zwar wechselten nach der Bildung der rot-schwarzen Landesregierung im Herbst 2017 auch in anderen Ressorts führende Beamte, Abteilungsleiter und Referatsleiter. Das geschah zumeist so, dass CDU-nahe Beamte in Ministerien, die von SPD-Ministern geführt werden, zu CDU-Ministerin gingen – und umgekehrt. Dieser „Tauschhandel“ unterscheidet sich nun von den Vorgängen im Wissenschaftsministerium fundamental, denn dem CDU-Mann Thümler gelang es, zwei CDU-nahe Spitzenbeamte nicht wegzuloben, sondern sozusagen „kalt zu stellen“. Das war am Ende nur möglich mit der Mithilfe zweier SPD-geführter Ministerien. Da es keine neuen B6-Stellen gibt, Mühlenmeier und Schwandner aber auch nicht degradiert werden konnten, mussten aus anderen Ressorts B6-Stellen abgezogen werden: Neuer Hochschulabteilungsleiter ist seit Anfang August der bisherige Leiter der Landesschulbehörde, der CDU-nahe Ulrich Dempwolf. Der Wechsel gab Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) die lange ersehnte Chance, die Landesschulbehörde zu zerschlagen und Dempwolf los zu werden.
Im Fall von Schwandner ist es Innenminister Boris Pistorius (SPD), der dem Wissenschaftsminister eine Hilfestellung gibt: Bisher gab es im Innenministerium schon einen früheren Abteilungsleiter, der eine Stabsstelle leitete – Frank Frühling, der als CDU-nah gilt. Mit seinem Ruhestand wird diese Stelle frei, und sie wechselt mit einem Teil des personellen Unterbaus in das Wissenschaftsressort. Ob Pistorius für diesen Dienst nun noch eine Gegenleistung von Thümler oder einem anderen christdemokratischen Minister erwarten kann, blieb bis Redaktionsschluss ungeklärt. (kw)