28. Okt. 2019 · 
Finanzen

Nord/LB und Steuerschätzung: Finanzminister Hilbers steht vor schwierigen Entscheidungen

Das Schicksal der Nord/LB-Rettung dürfte sich in den nächsten Tagen entscheiden. Es ist nicht die einzige große Herausforderung für Finanzminister Reinhold Hilbers, denn die neue Steuerschätzung Anfang November verspricht Steuerausfälle – vermutlich von 200 Millionen Euro. In der Landesregierung in Hannover wird zunächst damit gerechnet, dass die EU-Kommission noch in den letzten Oktobertagen oder in den ersten Novembertagen ihre Entscheidung zur Prüfung des Konzepts zur Rettung der Landesbank bekanntgeben wird. Finanzminister Reinhold Hilbers, zugleich Aufsichtsratschef der Nord/LB, hat in den vergangenen Tagen noch einmal mit der zuständigen EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager telefoniert und die Wichtigkeit der Entscheidung für die gesamte deutsche Bankenlandschaft unterstrichen. Nun wird allgemein davon ausgegangen, dass die EU-Kommission auf jeden Fall grünes Licht geben und erklären wird, mit dem Plan von 1,5 Milliarden Euro Eigenkapitalstärkung und noch einmal Garantien von 800 Millionen Euro seien die Wettbewerbsbestimmungen der EU nicht verletzt worden. Die spannende Frage ist nur, in welcher Weise die neuen Eigentümer der Nord/LB (Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Sparkassen beider Länder und von Mecklenburg-Vorpommern, zudem der Deutsche Sparkassen- und Giroverband) ihr Rettungskonzept zuvor noch „angepasst“ haben.
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Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, läuft die Prüfung bei der EU so ab, dass Beamte der Kommissarin Vestager einzelne Teile prüfen und signalisieren, mit welchen Nachbesserungen eine Genehmigung wohl wahrscheinlich wäre. Lange Zeit im Mittelpunkt stand dabei die Renditeerwartung von acht Prozent. Die Theorie lautete, dass private Investoren zum Einstieg in die hilfsbedürftige Nord/LB nur bereit gewesen wären bei einer solch hohen Rendite. Beihilferechtlich einwandfrei wäre das Konzept aus EU-Sicht nur, wenn die Bedingungen für die Länder als Investoren ähnlich gestrickt sind wie die für etwaige private Investoren. Nun hat Hilbers aber bereits Ende September mit Vestager telefoniert und dabei deutlich gemacht, dass die meisten deutschen Banken weit von einer Rendite von acht Prozent entfernt sind, diese Annahme sei also unrealistisch. Es könnte nun sein, dass Brüssel nur ein drastisch verändertes Nord/LB-Konzept annimmt. Das könnte bedeuten, die 100 Mitarbeiter der „Braunschweiger Landessparkasse“ (BLSK) herauszulösen aus der Bank. Dann müssten Kommunen im Braunschweiger Land (womöglich mit Landesunterstützung) als neue Träger einer verselbstständigten BLSK auftreten. Vorstellbar wäre aber auch noch mehr, etwa die – zu Beginn der Verhandlungen zunächst gescheiterte – Verzahnung der Nord/LB mit der Helaba in Frankfurt oder der Deka-Bank. Dies käme dem Ziel des neuen starken Miteigentümers DSGV entgegen, im Zuge von Bankenreformen auch die Anzahl der Landesbanken, die sich bisher gegenseitig Konkurrenz machen, zu beseitigen. Ein solcher Schritt in Richtung Fusion hätte für die Nord/LB den Nachteil, dass der Standort Hannover dann nicht mehr sicher wäre.

Haushalt 2020: Pläne der Koalition sind gefährdet

Neben dem Thema Nord/LB lastet noch die neue Steuerschätzung auf dem Finanzminister. Da die Wachstumserwartungen der Bundesregierung noch einmal deutlich gedämpft wurden, ist mit Steuerausfällen zu rechnen. Wie es in Hannover aus unbestätigten Quellen heißt, könnte der Umfang für den Etat 2020 etwa 200 Millionen betragen. Wenn das so käme, wären einige ehrgeizige Pläne der Koalition für nächstes Jahr gefährdet. Dabei geht es bisher vor allem um die Rückkehr zum Weihnachtsgeld für Landesbeamte, um eine Zulage für Lehrer, die noch nach A12 bezahlt werden, und um „Attraktivitätssteigerungen im öffentlichen Dienst“, etwa die Förderung von Angeboten zur Heimarbeit. Außerdem sollen die Investitionen in die Digitalisierung, in die Umstellung der Verwaltung auf E-Akten und in die Hochbauten und Sanierungen öffentlicher Gebäude verstärkt werden. Sollten tatsächlich wegen der Steuerschätzung größere Summen aus dem Etat herausgeschnitten werden müssen, so engt sich damit der Spielraum der beiden Koalitionsfraktionen für eigene Schwerpunkte im kommenden Jahr ein.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #190.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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