Niedersachsen schafft sich Regel für erlaubte Kreditaufnahme – Kommunen sind sauer
Die Landesregierung hat gestern ein Modell beschlossen, wie die seit fast zehn Jahren im Grundgesetz verankerte „Schuldenbremse“ in Landesrecht übertragen werden soll. In der Praxis bedeutet dieser Schritt, dass es für das Verbot der Kreditaufnahme, das eigentlich allen Ländern vom 1. Januar nächsten Jahres an auferlegt ist, Ausnahmen geben darf. Dazu schlägt das Kabinett sowohl die Änderung der Landesverfassung als auch ein eigenes Landesgesetz vor. Beides soll nach dem Wunsch von Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) bis Jahresmitte vom Landtag beschlossen werden.
Niedersachsen folgt damit dem Beispiel mehrerer anderer Bundesländer. In der finanzpolitischen Praxis hätte der Plan hohe Folgewirkungen für das Haushaltsrecht des Parlaments: Wenn die Einnahmen über einem „Normalmaß“ der konjunkturellen Entwicklung liegen, sollen sie abgeschöpft und auf ein Sperrkonto gelegt werden. Wird dieses „Normalmaß“ (nach Hilbers Worten wären das derzeit rund zwei Prozent Wachstum) aber unterschritten, so soll ausnahmsweise eine Kreditaufnahme erlaubt sein. Beides, die Rücklage wie die Ausnahme-Verschuldung, dürfe das Volumen von maximal fünf Prozent des Haushaltsvolumens (also 1,5 Milliarden Euro im Jahr) nicht überschreiten. Für die Rücklage insgesamt, die nur in Krisenzeiten zum Ausgleich konjunktureller Steuerausfälle verwendet werden darf, wird eine Obergrenze von 1,5 Milliarden Euro vorgeschlagen.
Wir fordern eine Garantie der Mindestausstattung, denn wir wollen nicht unter der Schuldenbremse des Landes leiden.
Laut Artikel 109 des Grundgesetzes dürfen die Länder von Januar 2020 an gar keine neuen Schulden mehr machen. Wenn sie es aber in besonderen Problemlagen doch tun wollten, bräuchten sie eine landesrechtliche Regelung – und die wird vom Kabinett jetzt präsentiert. Der erste Fall sind Naturkatastrophen und „außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen“. Unter dem letzten Punkt könnte man eine Weltwirtschaftskrise verstehen. Laut Gesetzesplan soll hier eine Kreditaufnahme erlaubt sein, sofern zwei Drittel der Landtagsabgeordneten zustimmen. Gleichzeitig müsse in einem „Tilgungsplan“ beschlossen werden, dass die Darlehen „binnen eines angemessenen Zeitraums getilgt“ werden können. Der zweite Fall betrifft „eine von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung“.
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Hier orientiert sich das Land an den Vorgaben des Stabilitätsrats, der Kriterien für ein normales Wirtschaftswachstum definiert und diese Definition laufend anpasst. Es geht um die Festlegung dessen, was eine vollausgelastete Wirtschaft normalerweise leisten kann. Liegt das Wachstum höher als dieser Normalverlauf – wie in den zurückliegenden Jahren -, so muss laut Gesetzesvorschlag der überschüssige Betrag der Steuereinnahmen abgeschöpft und in die Rücklage gepackt werden. Im umgekehrten Fall sind Kreditaufnahmen erlaubt, wieder an die Zweidrittelmehrheit des Landtags geknüpft. Es gibt noch Sonderregeln. So wird festgelegt, dass im eigentlich nicht vorgesehenen Ausnahmefall einer unerlaubten Kreditaufnahme die Summe binnen zwei Jahren wieder zurückgezahlt sein muss. Außerdem gibt es im Entwurf einen Passus, der vorsieht, dass Kredite für den Kauf von Beteiligungen (etwa an Unternehmen) durchaus erlaubt wären – denn dem stünde ja ein Wert gegenüber.
Während der Gesetzesvorschlag von SPD und CDU Zustimmung erfuhr, ebenso vom Steuerzahlerbund, äußerten sich FDP und Grüne kritisch. Kritik kam auch vom Landkreistag. Die Kommunalverbände hatten seit langem gefordert, eine Verfassungsänderung vorzusehen. Nach Artikel 58 hat das Land die Pflicht, den Gemeinden und Kreisen die „zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel“ zu geben – und zwar mit der Einschränkung: „im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit“. Diese Einschränkung wollen die Kommunen streichen, doch die Landesregierung schlägt nun vor, daran nicht nur festzuhalten, sondern noch in Artikel 58 zu ergänzen, dass „die Gleichwertigkeit der Aufgaben des Landes und der Kommunen“ berücksichtigt werden müsse. Dagegen protestiert nun Hubert Meyer, Hauptgeschäftsführer des Landkreistages: „Wir fordern eine Garantie der Mindestausstattung, denn wir wollen nicht unter der Schuldenbremse des Landes leiden.“