Mehrere Bundesländer planen die Einführung sogenannter Drug-Checking-Stationen, in denen Konsumenten ihre gekauften Drogen auf gefährliche Inhaltsstoffe hin untersuchen lassen können. Niedersachsen hat sich jedoch – anders als Berlin, Hessen und Baden-Württemberg – gegen ein solches Angebot entschieden. Der Grund sind die hohen Kosten.

„Das Problem ist nicht, dass wir das nicht wollen, sondern dass wir nicht die finanziellen Mittel und Strukturen haben“, erklärt die niedersächsische Landesdrogenbeauftragte Bärbel Lörcher-Straßburg gegenüber dem Politikjournal Rundblick. Die Kosten für ein entsprechendes Labor samt Equipment, in dem die Drogen dann getestet werden, ließen sich auf rund 350.000 Euro beziffern. Weitere Kosten kämen durch zusätzliches Personal hinzu, das insbesondere an Wochenenden gezielt Party-Locations abfahren müsste. Aktuell gibt es in Niedersachsen 75 Fachstellen für Sucht und Suchtprävention mit rund 520 Vollzeit-Mitarbeiterstellen, so der Stand von 2021. Lörcher-Straßburg geht davon aus, dass zur Unterhaltung von Drug-Checking-Stationen mindestens 40 halbe Stellen nötig wären. Lange Zeit war Drug-Checking rechtliche Grauzone, denn bereits der Besitz der Drogen wird strafrechtlich verfolgt.

Mitte Juni änderte der Bundestag allerdings das entsprechende Gesetz, machte so den Weg frei für die Tests. Der große Vorteil an kostenlosen Drogen-Prüfungen ist ein frühzeitiger Kontakt mit Konsumenten. „Die Suchthilfe erreicht nur 15 bis 20 Prozent derjenigen, die es eigentlich brauchen. Bei Menschen, die Partydrogen nehmen, dauert es oft, bis sie zur Suchtberatung gehen“, weiß Tobias Trillmich vom Arbeitsbereich Suchthilfe der niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen (nls) aus Erfahrung. Neben einer zielgerichteteren Ansprache könnten die Suchthelfer durchs Drug-Checking auch von zusätzlichen Einblicken in den Markt profitieren. „Wir kriegen zwar immer Statistiken aus der Suchtberatung, aber eigentlich müsste man in Clubs, um zu sehen, was aktuell ist“, sagt Trillmich. So dauere das schnell mal fünf bis sechs Jahre, bis Konsumtrends in der Statistik sichtbar werden würden.
„Es geht um Konfliktfähigkeit, es geht darum Kinder und Jugendliche stark zu machen.“
Bärbel Lörcher-Straßburg
Seit Jahren steigt der Drogenkonsum in Deutschland stark an – ebenso wie die Zahl der Todesfälle. Darunter erst kürzlich eine 13-Jährige aus Mecklenburg-Vorpommern, die nach der mutmaßlichen Einnahme der Droge „Blue Punisher“ verstarb, einer besonders starken Variante von Ecstasy. Lörcher-Straßburg sieht den gestiegenen Konsum auch in der Corona-Pandemie begründet. „Jugendliche konsumieren Drogen auch zur Gefühlsregulation oder nehmen vor Prüfungen aufputschende Mittel.“ Sowohl die Drogenbeauftragte als auch Trillmich berichten von einer Verschiebung der Drogenarten.
Während früher insbesondere bewusstseinserweiternde Substanzen konsumiert wurden, tendiere die jüngere Generation mittlerweile zu leistungssteigernden Drogen. Sie wollen mehr Energie haben, wacher sein oder auch länger durchfeiern können. Mehr noch als Drug-Checking-Stationen wünschen sich Trillmich und Lörcher-Straßburg eine „Entstigmatisierung“ der Sucht und mehr Angebote zur Sensibilisierung – gerade auch in Schulen. „Wir müssen gucken, wo der Bedarf am größten ist und das ist für mich die Ansprache von Kindern und Jugendlichen“, sagt Lörcher-Straßburg. Niedersachsen brauche deshalb vor allem eines: ein flächendeckendes Präventionsprogramm. „Es geht darum, den Umgang mit Emotionen, den Umgang mit sich selbst und speziellen Problemen zu lernen, es geht um Konfliktfähigkeit, es geht darum Kinder und Jugendliche stark zu machen.“