Nach Berlin und Bayern will nun auch Niedersachsen einen neuen Weg bei der Strafverfolgung von Kinderpornografie einschlagen. Derzeit laufen die Vorbereitungen für ein Pilotprojekt, bei dem getestet werden soll, ob externe Firmen weniger Zeit brauchen, um genauso gründlich wie die Polizei kinderpornografische Bilder auszuwerten. Dafür wurden bei der Staatsanwaltschaft Hannover zwei Fälle ausgewählt, die sich gut für ein Pilotprojekt eignen, weil viel Beweismaterial gesichtet werden muss. Derzeit werden die Datensätze vorbereitet, anschließend soll eine Firma beauftragt werden. Diese soll mit Beginn des nächsten Jahres zeitgleich mit der Polizei dasselbe Material auswerten. Die einen nutzen die Technik, die anderen gehen auf die gewohnte Weise vor. „Wir erhoffen uns von dem Pilotversuch Erkenntnisse darüber, ob Firmen als externe Sachverständige bei der Sichtung von kinderpornografischem Beweismaterial geeignet sind und die Polizei tatsächlich entlasten können“, sagt Justizministerin Barbara Havliza. Sie betont jedoch, es gehe nicht darum, die Sichtung von Beweismaterial bei Kinderpornografie generell auszulagern. „Mit dem Outsourcing sollen nur Belastungsspitzen bei der Polizei abgefangen werden, wenn viel Material gesichtet werden muss, die Zeit aber knapp ist, weil rechtliche Fristen, zum Beispiel in Haftsachen, eingehalten werden müssen.“


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Das Thema wird seit längerer Zeit kontrovers diskutiert. Im vergangenen Jahr ergab eine vom Innenministerium in Auftrag gegebene Studie, dass die Ermittler im Bereich Kinderpornografie zunehmend überlastet sind. Etwa 3000 Bilder müssen sie pro Tag sichten, viele zeigen Szenen, die für den Betrachter psychisch schwer zu verkraften sind. Knapp 86 Prozent der für die Studie befragten Ermittler gaben an, unter den Datenmengen und deren Inhalten zu leiden. In der Politik und bei den Polizeigewerkschaften herrscht Konsens, dass sich an der Situation etwas ändern muss. Allerdings gibt es keine Einigkeit darüber, wie die Entlastung erreicht werden kann. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter etwa hält das „Outsourcen“ der Materialsichtung an externe Firmen für den falschen Weg. „Das Sichten von kinderpornografischem Beweismaterial gehört in die Hände der Polizei, nicht in die von Externen, deren Qualifikation und psychische Eignung man nicht einschätzen kann“, sagt der niedersächsische BDK-Vorsitzende Matthias Karsch. Seine Gewerkschaft fordert, dass die technische Auswertung komplett vom Landeskriminalamt übernommen wird. „Dabei ist Entlastung möglich, wenn die technischen Hilfsmittel konsequent weiterentwickelt werden.“

Firmen übernehmen Rolle von Sachverständigen

Justizministerin Havliza kann die Kritik nachvollziehen. „Ich halte es zumindest nicht für ausgeschlossen, dass die Strafverfolger in Zukunft technisch in der Lage sind, alle Daten selbst auszuwerten, ohne dass es zu größeren Verfahrensverzögerungen kommt“, sagt sie. Allerdings müsse die Polizei dafür personell und technisch besser aufgestellt sein. Bis dahin sei das „Outsourcing“ für die Justizministerin eine prüfenswerte Alternative. Denn die Firmen übernähmen hier die Rolle von externen Sachverständigen, wie sie längst auch in anderen Arbeitsprozessen eingesetzt würden. Zum Beispiel sei das der Fall bei technischen Gutachten wie Verkehrsunfallanalysen, DNA-Gutachten oder Gutachten zur Konzentration von Blutalkohol. „Die Justiz greift schon seit Jahrzehnten bei technischen Fragen auf externen Sachverstand zurück. Die rechtliche Bewertung obliegt aber natürlich allein dem Gericht.“ Natürlich müsse bei der Auswahl der Firmen, die das kinderpornografische Material auswerten sollen, genau aufgepasst werden. Die Firmen müssen zertifiziert und für die Aufgabe generell ausgerüstet sein. Sie müssten den Datenschutz unter allen Umständen wahren und die Integrität der mit der Auswertung betrauten Personen einwandfrei sein. „Vor allem der Datenschutz und die Integrität sind die zentralen Punkte.“ Bisher hatten sich in der niedersächsischen Landespolitik die Bedenkenträger durchgesetzt. Es heißt, dass das Innenministerium auch in der vergangenen Legislaturperiode einem Pilotversuch gegenüber schon offen gewesen sein soll, die damalige Justizministerin von den Grünen sich aber geweigert habe. Die jetzige Ministerin dagegen will wissen, ob die anderen Bundesländer recht hätten mit ihrer Behauptung, dass mit dem Einsatz von Technik tatsächlich eine Entlastung der Polizei verbunden sei.