Rund 600 Taxis gibt es aktuell in Hannover. Künftig dürfte sich deren Anzahl aber deutlich verringern, denn die Lage für die Unternehmer wird immer dramatischer. | Foto: Link

Der Mindestlohn steigt, die Kraftstoffpreise explodieren, Veranstaltungen und Geschäftsreisen sind seltener geworden: Die Taxibranche rutscht immer tiefer in eine Krise, der sie aus eigenen Kräften nicht entkommen kann. „Wir sind ja nicht Herr unserer Tarife“, bringt es Christian Brüggmann auf den Punkt. Der Landesgeschäftsführer der Fachvereinigung Taxi und Mietwagen im Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) hat in den vergangenen Wochen rund 60 Anträge auf Taxitarifänderung in 51 Kommunen eingereicht. In einigen Fällen musste der Branchenverband doppelt Anträge stellen, weil Kommunen die Mindestlohnerhöhungen zunächst nicht anerkannten.

Der „Bundesverband Taxi und Mietwagen“ hält durchschnittlich eine Tariferhöhung von 20 Prozent für nötig. Grundsätzlich sei das auch auf Niedersachsen übertragbar, sagt Brüggmann. Es komme aber immer auf die letzte Tarifanpassung an. „Es gibt Kommunen, da ist die letzte Tariferhöhung im Jahr 2017 oder früher gewesen. Da, wo über Jahre nichts passiert, können es auch mehr als 20 Prozent sein“, sagt der GVN-Landesgeschäftsführer.

Christian Brüggmann ist GVN-Landesgeschäftsführer im Fachverband Taxi und Mietwagen. | Foto: GVN

„Die Lage ist momentan sehr, sehr ernst“, warnt Brüggmann. Die größte Herausforderung für die Branche sei die Anhebung des Mindestlohns. Ab Oktober steigt die Mindestvergütung von ehemals 9,60 Euro (Ende 2021) auf 12 Euro. „Die Personalkosten sind im Taxigewerbe bei gut 60 Prozent anzusiedeln“, erläutert der Verbandschef und rechnet mit drastischen Reaktionen der Unternehmen. „Viele werden ihre Taxiflotte minimieren und dafür mehr in den Mietwagenbereich gehen“, sagt Brüggmann und führt aus: „Sie können es heute niemandem mehr zumuten, dass er an einem Standort rund um die Uhr drei Fahrzeuge bereithält und jeder von denen fährt in der Nacht nur 46 Euro ein. Da muss man niemandem erklären, dass das nicht wirtschaftlich ist. Da kann dann nur noch ein Wagen draußen bleiben.“

Staatliche Hilfe erst ab 30 Prozent Umsatzeinbruch

Die Dieselpreisexplosion kommt da zur Unzeit. Dass die Bundesregierung per Tankrabatt den für Taxen am gebräuchlichsten Kraftstoff um 14 Cent billiger machen will, hilft laut Brüggmann nur bedingt. „14 Cent sind viel zu wenig“, sagt er. Um die Preissteigerungen auszugleichen, hätte eigentlich die komplette Energiesteuer von 47,04 Cent gestrichen werden müssen. Dass Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) die Umsatzausfälle im Taxi- und Mietwagengewerbe mit sechs Millionen Euro aus dem Corona-Sondervermögen ausgleichen will, ist für den GVN-Landesgeschäftsführer ein ganz wichtiger Schritt. Er sagt aber auch: „Natürlich werden da auch viele durchs Netz fallen. Das wird nicht alle retten können.“ So ist laut Richtlinie ein Umsatzrückgang von mindestens 30 Prozent eine Grundvoraussetzung für eine Ausgleichzahlung. „Ein Umsatzausfall von 25 Prozent ist für ein Taxiunternehmen eigentlich schon existenziell“, sagt Brüggmann und verweist auf geringe Margen in der Personenbeförderung.

Ärger über Moia wächst nach Corona-Pause

Während die Taxiunternehmen als Grundversorger eine lange Durststrecke durchleben mussten, konnte das Volkswagen-Tochterunternehmen Moia seinen Shuttle-Service während der Corona-Hochphase von Dezember 2020 bis Juli 2021 für ein halbes Jahr einstellen. Bei den mittelständischen Fahrdienstbetrieben hinterließ das einen schalen Beigeschmack und bestärkte das Vorurteil, dass sich Ridepooling-Anbieter nur die Rosinen herauspicken. Den Sammeltaxi-Betreiber Moia haben die Taxibetriebe ohnehin im Verdacht, nicht so viele Fahrgäste zu bündeln wie ursprünglich versprochen.

Dass es grundsätzlich besser ist, wenn mehrere Passagiere ein Fahrzeug nutzen, als dass jeder einzeln gefahren werden muss, sehen zwar auch die Taxiunternehmen ein. „Von Sammeln kann da keine Rede sein“, lautet der Vorwurf gegen den Sammeltaxi-Anbieter in Hannover. Damit einher geht die Forderung, dem Unternehmen bei der demnächst anfallenden Neugenehmigung in Bezug auf die sogenannte „Bündelungsquote“ deutlich strengere Vorgaben zu machen und die Einhaltung zu kontrollieren.

Am Wasserturm in Hannover tankt die Moia-Flotte ihren Strom. | Foto: Moia

Für sogenannte Mietwagendienste wie Moia, Uber, Free Now oder CleverShuttle gilt schon jetzt die Rückkehrpflicht. Nach jeder Fahrt müssen die Fahrer zum Betriebssitz zurückfahren, wenn sie keinen Folgeauftrag haben. Durch diese Auflage soll sichergestellt werden, dass das „Ad-Hoc-Geschäft“ auch weiterhin den Taxis vorbehalten bleibt. Im Wettbewerb mit den alternativen Fahrdienstanbietern, die mangels Tarifbindung günstigere Preise anbieten können, ist die sofortige Verfügbarkeit vor Ort der größte Vorteil der klassischen Taxis. Zudem will der Gesetzgeber durch die Rückkehrpflicht unnötigen Verkehr durch ziellos umherfahrende Autos verhindern. Ob sich die Fahrer aber tatsächlich an die Pflicht halten, ist umstritten. Kontrollen gibt es nicht. Die alternativen Fahrdienstanbieter betonen allerdings, dass jeder Auftrag per App zunächst in der Zentrale eingeht und vor Ort an die Fahrer weitergegeben wird. Die Technik sei so programmiert, dass die gesetzlichen Vorgaben automatisch eingehalten werden.

Harter Wettbewerb, aber niedrige Löhne

Die Mindestlohn-Anhebung dürfte neben den Taxiunternehmen auch einige alternative Fahrdienste treffen. Die IG Metall hatte noch im Dezember 2021 dagegen protestiert, dass die Löhne bei Moia in Hannover nur bei 11,50 Euro pro Stunde liegen, während die Moia-Kollegen in Hamburg 50 Cent mehr verdienen. „Insgesamt liegt damit die Einkommenshöhe niedriger als bei den Fahrern des Sprinti-Projektes der GVH“, kritisierte die Gewerkschaft. Laut einer aktuellen Stellenanzeige verdient ein Sprinti-Fahrer bis zu 2900 Euro pro Monat, beziehungsweise bis zu 14,38 Euro die Stunde. Ein anderer Shuttle-Service-Anbieter eines „weltweit agierenden Konzerns“ sucht auf der gleichen Plattform ebenfalls Fahrer in Hannover und verspricht bis zu 17 Euro die Stunde – jedoch inklusive Schichtzuschlägen durch Nachtarbeit und Wochenenddienste. Während „Sprinti“ seine Fahrer zudem nur mit einem Mercedes Sprinter ködert, lockt der Mitbewerber sogar mit einem „voll ausgestatteten“ Mercedes Vito. Und für das nächste Jahr seien sogar E-Vitos geplant.

In Hamburg können per Uber-App auch Taxis geordert werden. Ob auch die hannoverschen Unternehmen kooperieren werden, ist offen. | Foto: Uber

Uber ist „erbitterter Feind des Taxigewerbes“

Ob es sich bei dem geheimnisvollen Konzern um den Fahrdienstvermittler Uber handelt, ist unklar. Laut Wolfgang Pettau, Geschäftsführer von Hallo Taxi aus Hannover, plant das weltweit agierende Unternehmen eine Expansion in die Landeshauptstadt. „Uber hat unsere Unternehmen angeschrieben und um Mitarbeit gebeten“, berichtet Pettau. Der Taxiunternehmer sieht die Uber-Expansion allerdings äußerst kritisch. „Wenn die fair spielen, haben wir gegen einen Mitbewerber nichts einzuwenden“, sagt Pettau. In anderen Städten habe sich der Fahrdienstvermittler aber als „erbitterter Feind des Taxigewerbes“ erwiesen. Laut Pettau verfolge Uber dabei immer die gleiche Masche: Zunächst würden die lokalen Taxiunternehmer angelockt, später dann aber ausgebootet. Der Hallo-Taxi-Chef will auf keinen Fall mit dem Fahrdienstvermittler kooperieren. Er befürchtet jedoch, dass das nicht für alle 600 Taxen in Hannover gelten wird. Zudem fragt sich Pettau, ob der Uber-Start in Niedersachsen überhaupt rechtens ist. Seines Wissens habe der Fahrdienstvermittler bislang keinen Antrag bei den Behörden vorgelegt. „Das wäre dann hart an der Grenze zur Illegalität“, sagt Pettau. Eine entsprechende Rundblick-Anfrage bei der Landeshauptstadt blieb gestern unbeantwortet.

Schon der Start von Moia habe im Taxigewerbe keine Begeisterung aufkommen lassen, sagt Pettau. Durch die zusätzliche Konkurrenz durch Uber befürchtet er nun aber schlimme Auswirkungen. „Die Anzahl der Taxen in Hannover wird sich deutlich reduzieren“, sagt der Unternehmer voraus. Er rechnet damit, dass vor allem die lukrativen Fahrten von den alternativen Fahrdiensten weggeschnappt werden. Mit der Fahrt von der Firma zum Flughafen würden künftig vermutlich nur noch Moia oder Uber beauftragt werden. „Wenn Not am Mann ist, heißt es dann aber: Befördert ihr mal bitte den Dialyse-Patienten und den Corona-Kranken“, ärgert sich der Taxi-Unternehmer.