Mit den Stimmen von SPD, Grünen und CDU hat der Landtag am Montag die Novelle der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) beschlossen. Der zuständige Wirtschafts- und Bauminister Olaf Lies (SPD) sagte, er erwarte von dieser Änderung des Gesetzes ein „Signal an alle, die bauen wollen“. Die Botschaft laute, dass der Staat seine Vorgaben zurückschraube, die Standards senke und die Genehmigungsverfahren beschleunige. Das Bauen könne damit „schneller und günstiger“ werden. Der SPD-Wirtschaftsexperte Christoph Bratmann meinte, Lies sei „nicht etwa plötzlich FDP-Mitglied geworden“, wenn er die Entbürokratisierung zu seinem zentralen Anliegen erklärte. Vielmehr sei die Entschlackung der Vorschriften ein ureigenes rot-grünes Anliegen gewesen.

In der Sitzung erklärte der CDU-Bauexperte Christian Frölich, dass es trotz der richtigen Grundrichtung im Detail noch viele offene Fragen gebe. „Sie werden nach den Sommerferien erneut das Gesetz verändern müssen, da sich aus der Anwendung Folgeprobleme ergeben werden“, betonte er. So könnten Gebäude bei einer Aufstockung in eine höhere Gebäudeklasse rutschen und dann doch wieder mit höheren Auflagepflichten versehen werden. Das müsse vermieden werden.
Die Novelle hat mehrere Eckpunkte: Bei Umbauten und Geschoss-Aufstockungen sollen die Regeln maßgeblich sein, die zum Zeitpunkt des Ursprungsbaus galten, nicht die jeweils aktuellen. Das betrifft den Lärmschutz, die Brandschutz-Vorgaben, auch die Einbaupflicht von Fahrstühlen. Bei Neubauten werden die Grenzabstände verringert, es können problemlos die in anderen Bundesländern schon verwendeten Bautypen für die Genehmigung genutzt werden. Zudem gibt es die „temporäre Genehmigungsfiktion“. Diese bedeutet, dass ein Bauantrag als genehmigt gelten soll, wenn die Baubehörde binnen drei Monaten nicht auf den Antrag reagiert hat.
Der CDU-Abgeordnete Frölich meinte, diese Vorgabe sei nicht praktikabel, sie werde „eher eine Schaufensterfunktion haben“. Nicht mehr für alle Bauvorhaben soll der „zweite Rettungsweg“ verbindlich sein – sondern auch entfallen können. Damit ist etwa gemeint, in bestimmten Situationen nicht wie bisher ein zweites Treppenhaus vorsehen zu müssen. Besonders umstritten war schon im Vorfeld die Neuerung, dass künftig für Neubauten keine Parkplätze mehr nachgewiesen werden müssen. Die Kommunalverbände protestierten dagegen vehement, da ihnen doch die bisherige Stellplatzpflicht in all den Fällen Einnahmen bescherte, in denen ein Bauherr für den Verzicht auf Parkplätze eine Ablösesumme zahlen musste – etwa in Höhe von 2750 Euro je Platz. Nach der Landtagsentscheidung wiederholten die drei Kommunalverbände ihre Kritik noch einmal. Sie monierten, dass Rot-Grün bisher auf Kompromissangebote der Kommunen gar nicht reagiert habe.

Wie der CDU-Mann Frölich sagte, hänge eine wirkliche Belebung der Bauwirtschaft von weiteren Erleichterungen ab – so auch von Vorgaben zu technischen und energetischen Regeln. Darauf dürfe nicht länger verzichtet werden. Omid Najafi (AfD) sagte, die allgemeinen Zeithorizonte zur Klimaneutralität beim Bauen mache Neubauvorhaben viel zu teuer. Heiko Sachtleben (Grüne) entgegnete, die Bauwirtschaft lobe das rot-grüne Reformvorhaben, das sei ein Hoffnungszeichen.
Der SPD-Politiker Bratmann zitierte die hannoversche Architektin Dilek Ruf, die in der niedersächsischen Novelle eine „Blaupause für ganz Deutschland“ sieht und die Regierungsmehrheit ermuntert habe, sich bloß nicht von dem Weg abbringen zu lassen. Kurz vor der Beschlussfassung im Landtag hat die rot-grüne Koalition noch eine Ergänzung nachgeschoben: 2028 sollten mehrere Punkte der Novelle „evaluiert“, also überprüft werden – der Verzicht auf die Parkplatzpflicht, die vereinfachte Typen-Genehmigung und die Entscheidung, die Verantwortung für Umbauvorhaben vor allem bei den Architekten der Bauherrn anzusiedeln und nicht bei den Bauämtern der Kommunen. (kw)