Das bedeutet die Änderung der Kommunalverfassung
Der Landtag hat am Mittwoch mit den Stimmen der Großen Koalition die Kommunalverfassung geändert. Damit werden Fragen der Krankenhausplanung und des Rettungsdienstes künftig von Bürgerbegehren ausgenommen. Die Räte erhalten das Recht zur Bürgerbefragung. Die Freistellungsregeln für ehrenamtliche Mandatsträger werden erweitert – und das Auszählverfahren für die Besetzung der Ausschüsse für Räte und Kreistage wird nach dem Verfahren d’Hondt geregelt.
Gerade dieser letzte Punkt, der sich Anfang November in der Neubildung der Gremien in den Kommunen auswirkt, hat im Landtag noch einmal zu einer heftigen Auseinandersetzung geführt. FDP, Grüne und die ehemaligen AfD-Fraktionsmitglieder hielten SPD und CDU einen Verstoß gegen elementare demokratische Regeln vor. Dies geschah in einer aufgewühlten, von Zwischenrufen und lauten Protesten begleiteten Debatte. Sie gipfelte in einer scharfen Auseinandersetzung zwischen FDP-Fraktionschef Stefan Birkner und Innenminister Boris Pistorius (SPD).
Große Fraktionen haben gegenüber kleinen Fraktionen einen Vorteil
Das neu eingeführte Verfahren nach d’Hondt bedeutet, dass bei der Personalauswahl für die Rats- und Kreistagsausschüsse die großen Fraktionen besser berücksichtigt werden als die kleineren. Dies kann sich dann in der Weise auswirken, dass eine kleine Partei, die bei der Kommunalwahl am 12. September neue Mandate hinzugewonnen hat, bei der Verteilung der Ausschusssitze schlechter da steht als bisher. Die rechtliche Basis dafür ist ein Gesetz, das erst einen Monat nach der Kommunalwahl im Landtag beschlossen wurde, nämlich gestern. Susanne Menge (Grüne) sagte: „Sie verändern rückwirkend den Wert eines Wahlergebnisses für die kleinen Parteien.“
„Sie verändern rückwirkend den Wert eines Wahlergebnisses für die kleinen Parteien.“
Susanne Menge, Grünen-Politikerin
Dieser Konflikt spitzte sich in der Debatte noch weiter zu, als Birkner meinte, das Lob von SPD und CDU für die Arbeit der ehrenamtlichen Politiker klinge „in den Ohren der Ratsmitglieder kleiner Fraktionen wie Hohn, wenn diese in den Ausschüssen nicht mehr mitstimmen können“. Die Große Koalition setze ihren Plan wenige Wochen nach der Kommunalwahl um, damit würden die Wähler in die Irre geführt, die sich auf das bisher geltende Recht verlassen hätten. SPD und CDU täten dies, „um sich selbst Vorteile zu verschaffen, und damit handeln sie demokratiegefährdend“, betonte der FDP-Fraktionschef. Innenminister Pistorius widersprach vehement. Ihn nerve es, wenn „Halbwahrheiten verbreitet“ würden. „Das Wahlrecht ist nicht geändert worden, damit ist die Gleichheit jeder Stimme weiter gewährleistet. Wer den gegenteiligen Eindruck erweckt, verdreht die Tatsachen.“ Dann sagte der Minister noch: „Wer anderen Demokratiegefährdung unterstellt, gefährdet damit selbst die Demokratie.“ Pistorius schloss mit der Mahnung an FDP und Grüne: „Manchmal wäre es gut, wenn man nicht dauernd mit Kanonen auf Spatzen schießt.“
Umstrittenes Zählverfahren für die Sitzzuteilung nach der Kommunalwahl bleibt unerwähnt
Die Emotionen kochten in der Debatte noch weiter hoch, als der scheidende SPD-Abgeordnete Bernd Lynack, künftig Landrat von Hildesheim, zur Begründung für die veränderte Ausschuss-Besetzung erwähnte, dass vielerorts die Vertreter kleiner Fraktionen sowieso keine Zeit für die Ausschussarbeit hätten und es für sie daher eine Erleichterung sei, wenn sie dort in Zukunft kein Stimmrecht mehr hätten. Häufig seien Ausschusssitzungen auch wegen der Abwesenheit der Vertreter kleiner Gruppen beschlussunfähig geworden. „Unfassbar“ sei dieses Argument, meinte Marco Genthe (FDP) und ergänzte, mit dieser Sichtweise könne man auch die Wiedereinführung der Monarchie beschließen.
Nicht erwähnt wurde in der Debatte, auch nicht in den Reden von Lynack und Bernd-Carsten Hiebing (CDU), dass vor allem das bisherige und auch künftige Zählverfahren für die Zuteilung der Sitze nach der Kommunalwahl, das Hare-Niemeyer heißt, sehr umstritten ist. Dies führt nämlich in der Praxis sehr oft dazu, dass kleinere Parteien viel schneller ein Mandat in der Kommunalvertretung erobern können als größere. An diesem Zustand, der von vielen Kommunalpraktikern seit Jahren beklagt wird, wollte die SPD/CDU-Fraktion im Landtag allerdings nicht rütteln.
Hiebing meinte nur, der Vorwurf der Wählertäuschung gehe in die Irre – denn die Koalition habe seit April klar erklärt, welche Änderungen sie für die Kommunalverfassung vorhabe. Lynack warf FDP und Grünen vor, sie würden „immer wieder unvollständige Geschichten wiederholen“. Klaus Wichmann (AfD) schlug in die Kerbe, die FDP und Grüne vorbereitet hatten. SPD und CDU würden „Wasser predigen und Wein trinken“, indem sie immer wieder vor einer Gefährdung der Demokratie warnten, dann aber undemokratisch handelten und ihre eigenen Vorteile mit diesem Gesetz sicherten.