Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) versucht mit einem Appell an die Marktpartner, der Krise in der Schweinefleisch-Branche entgegenzuwirken. „Jeder muss seinen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten: Wir brauchen ein klares Bekenntnis des Handels zur deutschen Produktion“, erklärte die Ministerin am Montag nach dem Ende eines digitalen Branchengipfels mit Erzeugern, Handel, Verarbeitung und Verbänden.

In den zurückliegenden Monaten fiel der Erzeugerpreis für Schweinefleisch auf 1,30 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht. Ursächlich dafür waren verschiedene Faktoren, etwa die Corona-Pandemie, aber auch der Ausbruch der „afrikanischen Schweinepest“ (ASP) in Brandenburg, wodurch Teile des Absatzmarktes einbrachen. Otte-Kinast setzt nun verstärkt auf die Rolle des Handels, um die Misere der Sauenhalter zu verbessern. „Wer den Verbrauchern regionale Produkte oder ausschließlich Ware aus den Haltungsstufen 3 und 4 verspricht, muss den Bauern Planungssicherheit durch langfristige Verträge geben“, sagte die Ministerin am Montag. Lobend erwähnte sie die Rewe-Gruppe, die künftig rund 95 Prozent der Produkte mit einer sogenannten „5D“-Kennzeichnung ausweisen möchte. Diese zeigt an, dass die tierischen Produkte von Geburt über Aufzucht, Mast und Schlachtung bis hin zur Zerlegung in Deutschland verarbeitet wurden.
Die Landwirtschaft sei allerdings auch gefordert, erklärte Otte-Kinast, denn das Angebot sei noch immer zu groß: „Inzwischen muss doch klar sein: Wenn die Nachfrage nicht da ist, dann benötigen wir auch weniger Schweine.“ Auf dem vormaligen Höhepunkt der Schweinekrise im Herbst vergangenen Jahres hatte die Ministerin an die Landwirte appelliert, die Bestände nun eigenständig zu reduzieren. In der Zwischenzeit war es vorübergehend zu einer entspannteren Lage gekommen. Noch im Mai hatte eine Referentin des Agrarministeriums im zuständigen Landtagsausschuss erklärt, von Preiseinbrüchen könne keine Rede mehr sein. Das Politikjournal Rundblick hatte am Freitag darüber berichtet. Die Aussage der Referentin sei völlig korrekt gewesen, rechtfertigt sich nun das Ministerium. Inzwischen sei die Lage aber wieder eine andere, unter anderem weil der große chinesische Absatzmarkt seine Türen nun auch für Spanien geschlossen hat – was wiederum dazu führt, dass die spanische Schweinefleisch-Wirtschaft auf den restlichen Markt drücke.
"Die Landwirtschaft ist der Motor
im ländlichen Raum."
Otte-Kinast sieht derweil einen Strukturbruch auf Niedersachsen zukommen, der nicht nur die Schließung einiger Betriebe zur Folge hätte. „Die Landwirtschaft ist der Motor im ländlichen Raum. Wenn der stottert, dann läuft hier nichts mehr rund“, erklärte sie am Montag. Welche Lösung schwebt ihr also vor? Zum einen drängt die CDU-Politikerin auf die rasche Umsetzung der Ergebnisse der sogenannten Borchert-Kommission. Diese hatte im Auftrag der Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) ein Vorgehen erarbeitet, mit dem mittelfristig die Nutztierhaltung in Deutschland auf ein signifikant höheres Niveau gehoben werden soll. Wesentliche Bestandteile dieses Plans sind eine verpflichtende Tierwohlkennzeichnung sowie eine Form von Tierwohlabgabe, durch die Investitionen in neue Ställe finanziert werden sollen.
Die Pläne liegen zwar vor, wurden jedoch in dieser Legislatur nicht mehr beschlossen. Darüber hinaus setzt Otte-Kinast nun auf die Neugestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union. Mittelfristig sollen die EU-Milliarden so eingesetzt werden, dass höhere Umweltleistungen oder ein gesteigertes Tierwohl als öffentliche Leistung anerkannt und durch öffentliches Geld einkommenswirksam honoriert werden können.
Rückendeckung erhält Otte-Kinast aus ihrer CDU-Landtagsfraktion. Fraktions-Vize und Agrarpolitiker Helmut Dammann-Tamke erklärte: „Die Fleischwirtschaft und der Lebensmittelhandel können in dieser Krise beweisen, ob sie ein vertrauensvoller Partner beim Umbau der Tierhaltung zu mehr Tierwohl sind. Die Zweifel unter den Landwirten wachsen diesbezüglich jeden Tag.“ Kritisch äußerte sich hingegen die Landtagsopposition. FDP-Agrarpolitiker Hermann Grupe sagte, die Ministerin inszeniere sich als Moderatorin, die mit den Problemen der Schweinehalter nichts zu tun habe. Seiner Ansicht nach liegt die Ursache in einer zu großen Marktkonzentration, weniger Akteure im Lebensmitteleinzelhandel.

„Obwohl die Preise an der Ladentheke stabil waren, hat man ohne Not die Erzeugerpreise einbrechen lassen und die Gewinne eingestrichen. Das Ungleichgewicht zwischen Erzeugern und Handel und der dadurch faktisch nicht mehr funktionierende Markt lassen sich nicht mit ein paar kleinen Verbesserungen hier und da aus der Welt schaffen“, sagte Grupe. Miriam Staudte, agrarpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, zeigte sich wenig überrascht vom Ausgang des Branchengesprächs: „Otte-Kinasts Schweinegipfel ist wie erwartet ergebnislos geblieben.“ Sie wirft der Ministerin Nicht-Handeln vor, schließlich sei seit Jahren absehbar gewesen, dass die starke Exportorientierung in der Schweinefleischproduktion zu einem Preisabsturz führen würde, wenn die ASP in Deutschland ankommt.