22. März 2023 · Wirtschaft

N-Bank sieht wachsenden Bedarf nach Eigenkapital und Startup-Förderung

Wer einen siebenstelligen Euro-Betrag benötigt, um zusätzliche Forschungs- und Entwicklungskosten für die kommenden Jahre zu finanzieren, hat bei einer Sparkasse oder Volksbank eher schlechte Karten. Diese Erfahrung musste 2018 die Hildesheimer Unternehmerin Cerstin Finke machen, die mit ihrer Identytec GmbH gerade so richtig am Durchstarten war. „Wir brauchten Kapital für unser Wachstum und dabei haben wir gelernt, dass einen die Hausbanken dabei so gar nicht begleiten“, erzählt Finke. Dann sei ihr aus Unternehmerkreisen die N-Bank empfohlen worden.

Für die Startup- und Gründerszene in Niedersachsen von immenser Bedeutung: Die N-Bank Capital Beteiligungsgesellschaft. | Foto: Link

„Anfangs waren wir uns nicht ganz sicher, ob das Konzept das Richtige ist. Als Unternehmer ist man manchmal auch ein bisschen erschlagen von der Bürokratie, aber diese Angst wurde uns genommen. Die bürokratischen Hürden sind zwar da, aber durch die Unterstützung, die wir von der N-Bank erfahren haben, war das wunderbar zu lösen“, schwärmt die mittlerweile international erfolgreiche Geschäftsfrau per Liveschalte aus Chicago, wo gerade mit der „Promat“ eine der weltweit größten Fachmessen für Materialhandhabung und Logistik stattfindet. Am Lake Michigan ist es gerade 4.30 Uhr nachts, als die „N-Bank Capital“ in Hannover ihre Jahresbilanz präsentiert. Trotzdem berichtet Finke sehr enthusiastisch von ihren jüngsten Unternehmenserfolgen, die unter anderem durch eine 1,5-Millionen-Dollar-Beteiligung der niedersächsischen Förderbank möglich geworden sind.

Thorsten und Cerstin Finke eröffnen 2020 eine Identytec-Niederlassung in Hyderabad (Indien), denn im „Dunstkreis von Wolfsburg“ sind Softwareexperten für kleine Unternehmen schwer zu finden. | Foto: Identytec

„Im Moment fokussieren wir uns auf die USA, weil wir merken, dass hier ein sehr großer Markt für uns ist“, sagt Finke. Ihr kleines Technologieunternehmen (30 Mitarbeiter) hat sich darauf spezialisiert, die Werkshallen-Logistik zu automatisieren. Es zählt vor allem die Autoindustrie und ihre Zulieferer zu seinen Kunden. In China, Nordamerika, Mexiko, Argentinien und ganz Europa sind die Hildesheimer bereits tätig. „Unser Kerngeschäft ist die Software, die dahintersteckt“, erklärt die Unternehmerin. Ohne Sensoren geht das aber nicht. In der Werkshalle eines großen deutschen Automobilherstellers habe ihre Firma etwa mehr als 7000 Sensoren verbaut, berichtet Finke. Der Füllstand jedes Behälters und jedes Regals, jede Palette und jeder Trolley können von Identytec erfasst werden. „Im Grunde kann der Kunde zu jeder Zeit eine Miniinventur machen“, sagt Finke. Besonders stolz ist aber auf das selbstentwickelte fahrerlose Transportsystem, das durch die Werkshalle rollt und die Regale automatisch befüllt sowie entleert. „Das ist ziemlich einzigartig.“

Die Identytec aus Hildesheim hat sich auf vollautomatische Lösungen zur Materialnachschubsteuerung für die produzierende Industrie spezialisiert. | Grafik: Identytec

Die Erfolgsgeschichte von Identytec ist auch deswegen bemerkenswert, weil das junge Unternehmen in schwierigen Zeiten aufblühte. „Wir haben jede Krise mitgenommen, die es gab. Wir haben alles mitgemacht, was eine negative Entwicklung auf unser Geschäft haben konnte. Da war die Unterstützung der N-Bank elementar“, sagt Finke. Für N-Bank-Vorstandschef Michael Kiesewetter ist das selbstverständlich: „Wem wir Geld geben, der bekommt von uns auch eine enge Begleitung.“ Ein Manager der Förderbank betreue im Schnitt nur zehn Kunden – und das soll auch so bleiben, selbst wenn die Förderbank noch weiterwächst, versichert Kiesewetter.

N-Bank hat 83 Unternehmen mit 800 Millionen Euro Umsatz im Portfolio

Insgesamt 83 Unternehmen, die zusammen einen Umsatz von rund 800 Millionen Euro erwirtschaften, hat die „N-Bank Capital“ derzeit in ihrem Portfolio. Das Beteiligungsvolumen liegt bei 78,5 Millionen Euro. „Unser Fokus liegt auf Innovation, aber auch auf Nachhaltigkeit“, erläutert Vorstandsmitglied Ulf Meier. Das Branchenspektrum reicht von Automobilzulieferern über Energie, Life Science, Mobilität, Robotik, smarte Produkte, Mode, Logistik, E-Commerce bis hin zu einem Kofferhersteller. Im Vergleich zum Vorjahr ist das N-Bank-Portfolio allerdings ein bisschen ausgedünnt worden. Trotz 20 neuer Finanzierungen (darunter auch einige Folgefinanzierungen) ist die Förderbank an sechs Unternehmen weniger beteiligt als noch 2021. „Ursache sind zum einen erfolgreiche Verkäufe und Exits von Unternehmen sowie leider auch einige Insolvenzfälle – insbesondere in unserem Startup-Portfolio“, erläutert Ralf Borchers, Geschäftsführer der N-Bank Capital.

Co-Geschäftsführer Stephen Struwe-Ramoth erwartet aber wieder eine steigende Nachfrage nach Beteiligungskapital. „Die Hausbanken sind zurückhaltender bei der Kreditvergabe. Viele etablierte Unternehmen werden vor die Herausforderung gestellt, dass sie mehr Eigenkapital in ihrer Bilanz brauchen“, sagt der Leiter des Geschäftsfelds Beteiligungen. Startups wiederum hätten zunehmend Schwierigkeiten, privates Kapital für ihre Folgefinanzierungen zu gewinnen. „Neben uns gibt es wirklich wenige Frühphasen-Finanzierer, die das Risiko in Kauf nehmen“, ergänzt Borchers. Wenn ein Startup sich nach zwei Jahren etabliert habe, komme dann aber auch mal eine 10-Millionen-Euro-Finanzierungsrunde zustande.

Fördern Unternehmen und Startups aus Niedersachsen: Ulf Meier (von links), Stephen Struwe-Ramoth, Ralf Borchers und Michael Kiesewetter. | Foto: Link

Allerdings wählt auch die „N-Bank Capital“ ihre Beteiligungen sehr genau aus. Jährlich gingen 100 bis 200 Anfragen ein, von denen längst nicht alle berücksichtigt werden könnten. „Wir fragen uns: Hat der Kunde wirklich ein Alleinstellungsmerkmal und auch die Kompetenz, so ein Unternehmen voranzubringen? Wir gucken auch sehr stark auf das Team“, sagt Borchers. Der Vertriebsgedanke dürfe auch nicht zu kurz kommen und Konkurrenz zu anderen Unternehmen im Portfolio soll es ebenfalls nicht geben. Letztlich sei bei der Auswahl auch ein Stück weit Bauchgefühl dabei, verrät Meier. Wer bei der N-Bank zu einem Pitch-Meeting geladen wird, muss für seine Idee und sein Unternehmen brennen. „Da muss Leidenschaft, da muss Engagement durchkommen“, sagt Meier und fügt hinzu: „Bei Frau Finke haben wir gesehen: Da steckt Kraft und Power dahinter.“


Dieser Artikel erschien am 23.3.2023 in Ausgabe #054.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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