
In dieser Woche geht ein Verbandsvertreter in den Ruhestand, dessen Gewicht und Einfluss immer wieder unterschätzt wurde – weil er im Auftreten eher unauffällig, leise und zurückhaltend bleibt. Prof. Hubert Meyer, anerkannter Verwaltungsjurist und Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), wechselt in den Ruhestand. Neunzehneinhalb Jahre lang, seit Anfang 2006, stand er als hauptamtlicher Chef an der Spitze der Organisation, und er war gewissermaßen die „graue Eminenz“ der kommunalen Familie. Diese besteht in Niedersachsen aus drei Mitgliedern, dem Landkreistag für die 37 Landkreise, dem Städtetag für die mittleren und größeren Städte und dem Städte- und Gemeindebund, der kleine und mittlere Städte und Gemeinden vertritt. Hubert Meyer war gefühlt immer da und stets perfekt im Film, wenn in den vergangenen Jahren irgendein Reibungspunkt zwischen Land und Kommunen entstand. Und von diesen Punkten gab es viele.
Immer wieder ist es um Geld gegangen und um Zuständigkeiten. Das Klagelied der Kommunen, sie würden von Land und Bund immer mehr Aufgaben übertragen bekommen, ohne dass im gleichen Umfang Finanzen und Personal dafür geliefert werden, begleitet Meyer von Beginn seiner Amtszeit. Es ist in den knapp 20 Jahren seines Wirkens in Hannover eher noch drastischer, noch enttäuschender geworden. Auch die Einschätzung, dass dieser Umstand immer wieder erwähnt wird, aber nicht wirklich bei den Landespolitikern Gehör findet, hat von ihrer Aktualität nichts eingebüßt. Meyer war zu Beginn seines Wirkens in Hannover noch diplomatisch. Je länger er im Amt blieb und umso mehr Rückschläge er in seinem Amt einstecken musste, desto drastischer wurde auch seine Wortwahl. Polternd und laut wurde er nie, das entspricht nicht seinem Naturell und seiner feinen Art des juristischen Diskurses. Aber die Entschiedenheit seiner Positionen ist immer stärker spürbar geworden.
Wenn von Enttäuschungen die Rede ist, muss neben dem dauernden Streit um die Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen noch etwas anderes erwähnt werden: die Bereitschaft zu Reformen. Die letzte große Verwaltungsreform in Niedersachsen ist vor rund 50 Jahren geschehen, seinerzeit führte die Gebietsreform zu reichlich Streit und dauerhaften politischen Zerwürfnissen. Was danach passierte, waren vornehmlich kleine Anpassungen. Zwar wagte das 2003 berufene CDU/FDP-Kabinett unter Ministerpräsident Christian Wulff einen großen Wurf mit der von Innenminister Uwe Schünemann angeschobenen Verwaltungsreform. Zahlreiche Verfahren wurden vereinfacht, mehrere Sonderbehörden aufgelöst – und die Bezirksregierungen als Mittelinstanz eingespart. Der Folgeschritt wäre die Stärkung der Kreise und kreisfreien Städte durch Fusionen gewesen, damit diese weitere Aufgaben des Landes übernehmen können. Dazu wurden zwar die Vorbereitungen entwickelt, ein sehr konkretes Gutachten ist vorgelegt worden. Doch es geschah nichts – oder jedenfalls nur sehr wenig.

Es bleibt bei den Ungleichgewichten im Lande, die eine großzügige Übertragung weiterer Landesaufgaben auf die Kommunen blockieren – nämlich das Nebeneinander leistungsfähiger Großverwaltungen wie in der Region Hannover (eine Million Einwohner) oder Mini-Verwaltungen wie in den Kreisen Wittmund, Uelzen oder Lüchow-Dannenberg (50.000 Einwohner). Der einstige NLT-Präsident und Göttinger Landrat Bernhard Reuter, der vom Reformeifer geprägt war, schaffte immerhin eine Fusion der Kreise Göttingen und Osterode. Aber die von vielen erhoffte Initialzündung für weitere Gegenden in Niedersachsen folgte dem nicht. Im Gegenteil: Manche konkrete Überlegung, etwa die Vereinigung der Kreise Peine und Hildesheim, schien von der politischen Spitze im Land (hier vor allem Ministerpräsident Stephan Weil und Innenminister Boris Pistorius) gezielt blockiert worden zu sein.
Nun wäre es wohl abwegig, in Hubert Meyer denjenigen zu sehen, der die große Verwaltungsreform unbedingt vorantreiben wollte. Zu seiner Rolle als nüchterner Betrachter und Kenner der Behördenlandschaft entspricht es eher, gegen allzu viel Reformelan Bedenken zu äußern. Aber Meyer kennt die Defizite seiner Kreisverwaltungen und weiß, wo diese wegen ihrer Kleinheit an Grenzen stoßen. Es wäre für ihn intellektuell eine Herausforderung gewesen, an einem vom Land angeschobenen Reformprozess mitzuwirken und gute Kompromisse zu erzielen. Bevor er in Hannover sein Amt übernahm, hatte Meyer 15 Jahre lang – seit 1991 – den Landkreistag in Mecklenburg-Vorpommern geführt. In dieser Zeit gab es mehrere Kreisreformen, darunter auch eine sehr weitgehende, die nach erheblichen Protesten gestoppt wurde. Als Vertreter der Landkreise war Meyer in Schwerin ein geschätzter Gesprächspartner auch deshalb, weil er die Reformpläne nicht nur ablehnte, sondern immer auch bemüht war, an Verbesserungsvorschlägen oder an einer Verständigung zu arbeiten.

Diese Fähigkeit war nun in Hannover weniger verlangt, denn die Mitarbeit an einem größeren Reformwerk blieb Meyer verwehrt – ganz einfach deshalb, weil die Landespolitik nicht den Mut zu solchen Reformen hatte. Vielleicht ging die Reform der Krankenhauslandschaft, die von der Großen Koalition zwischen 2017 und 2022 angepackt wurde, noch am ehesten in diese Richtung. Alle anderen Schritte, gerade mit Blick auf die Verwaltung, waren eher klein und zögerlich. Meyer selbst hätte wohl kaum der Motor für Veränderungen sein können, da er kraft Amtes Vertreter aller 37 Landkreise war und jede Veränderung auf Kosten eigener Mitglieder gegangen wäre. Aber die Mitwirkung und fachkundige Begleitung von Veränderungen, die wäre ihm allemal möglich gewesen. Die Oberflächlichkeit und Aufgeregtheit des politischen Diskurses, die sich selten auf die echten Probleme bezieht, hat Meyer abgeschreckt. Er hat oft seinen Ausweg darin gesucht, schwierige Rechtsprobleme in wissenschaftlichen Aufsätzen zu beleuchten. Die erschreckende Unkenntnis vieler politisch aktiver Menschen, was die Bedeutung von Rechtsstaat und ordentlicher Verwaltung angeht, hat ihn auch immer wieder verstimmt.
Meyers Abschied fällt in einen Generationswechsel in Niedersachsen: Der langjährige Ministerpräsident Stephan Weil hat sich gerade verabschiedet, sein Nachfolger Olaf Lies sucht noch das neue Profil im Amt. Etliche langgediente Oberbürgermeister und Landräte, die über Jahrzehnte im ehrenamtlichen Bereich die Ansprechpartner für den Kontakt zwischen Landes- und Kommunalpolitik waren, sind bereits vor einigen Jahren ausgeschieden. Ob nun die Nachfolger beherzter an ihre Aufgaben gehen – und beispielsweise den Bürokratieabbau wirklich ernsthaft vorantreiben? Die Leitlinie der Landesregierung – „einfacher, schneller, günstiger“ – wird zwar allgemein begrüßt und immer wieder betont, aber niemand weiß bisher, wie nachhaltig der Wille zur Umsetzung bei den maßgeblichen Akteuren ist. Erst Meyers Nachfolger werden es wohl erfahren.