
Die Ukraine-Krise wird nach den Worten von Regierungschef Stephan Weil nicht dazu führen, dass die Kreise, Städte und Gemeinden auf den Kosten für die Flüchtlinge sitzen bleiben. In seiner Regierungserklärung betonte er: „Die niedersächsischen Kommunen können sich auch dieses Mal wieder darauf verlassen, dass das Land an ihrer Seite steht und sie nicht hängen lässt.“ Finanzminister Reinhold Hilbers und Innenminister Boris Pistorius würden die Kommunalverbände einladen, über diese Fragen zu sprechen „und zu tragfähigen Lösungen zu kommen“. In jedem Fall, fügte er hinzu, gebe es ja die Pauschale „von mindestens 10.000 Euro jährlich für jeden Flüchtling“. Zur möglichen Aufstockung dieser Zahlung, die in Kommunalkreisen bisher immer mit 12.000 Euro beziffert worden war, sagte der Ministerpräsident nichts, fügte aber den Begriff „Verantwortungsgemeinschaft“ hinzu.
Weil bezifferte die Zahl der Zufluchtsuchenden aus der Ukraine, die schon in Niedersachsen angekommen sind, mit 11.500. Das seien aber nur die in der Landesaufnahmebehörde schon registrierten Flüchtlinge, viele andere seien auf anderen Wegen gekommen. Derzeit bestehe keine Pflicht, sich registrieren zu lassen – das sei aber sinnvoll. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder erklärte in der Aussprache, es dürfe bei der Kostenerstattung „kein Hin und Her geben“. Sie bekannte, in der aktuellen Situation angesichts der dramatischen weltpolitischen Lage „Hilflosigkeit“ zu verspüren. Der CDU-Fraktionsgeschäftsführer Jens Nacke meinte, die Kommunen würden derzeit die Erstaufnahme der Flüchtlinge gewährleisten – also im Auftrag des Landes handeln. In der Regierungserklärung und der Aussprache wurden mehrere Punkte angesprochen:

Flüchtlingskinder in Niedersachsen: Schon jetzt seien 1600 Schüler aus der Ukraine in Niedersachsen. Laut Weil sollen Lehrer aus der Ukraine, Pensionäre und Studenten im Unterricht eingesetzt werden. CDU-Mann Nacke klagte, es gebe immer noch Fälle, in denen die Aufsichtsbehörden den Wunsch von Kommunen, die Kindergartengruppen um zwei Kinder zu vergrößern, ablehnen würden. Die nötige Flexibilität sei in der Praxis oft nicht vorhanden.
LNG-Terminals: Weil erklärte, der schnelle Import von LNG-Flüssiggas sei nötig, Wilhelmshaven könne zur „mit Abstand wichtigsten Drehscheibe für Gasimporte“ werden. Eine ausstehende Pipeline für die Anbindung solle noch 2022 fertig werden. Über schwimmende Pantons sollen die Schiffe entladen werden. Ab 2025 solle dann Stade als zweites LNG-Terminal hinzukommen. Planungsverfahren müssten enorm beschleunigt werden.
Streit um Windenergieausbau: CDU-Mann Nacke zitierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit den Worten, der Ausbau von Infrastruktur – bei LNG ebenso wie bei Windkraftanlagen oder Stromleitungen – müsse viel schneller laufen: „Von sechs Jahren zu sechs Monaten.“ Der Ausbau der Windkraft werde häufig durch Naturschützer bedroht, die wegen des Artenschutzes klagten. Christian Meyer (Grüne) forderte, das Ausbauziel für Windkraft im Landesraumordnungsprogramm von 2,1 Prozent der Landesfläche (wie im Entwurf) auf 3 Prozent zu erhöhen – wie es auch Schleswig-Holstein getan habe. Die Antwort auf die aktuelle Krise könne nur in noch stärkerem Ausbau der Erneuerbaren Energien liegen.
Streit über EU-Energiepolitik: Christian Meyer (Grüne) sagte, die Hoffnung vieler Wirtschaftspolitiker, freier Welthandel fördere die Demokratisierung, sei falsch gewesen – das zeige sich im Verhalten Russlands wie auch Chinas. Die bisher unumstrittene Position, Waffenlieferungen in Krisengebiete zu verbieten, sei auch verkehrt. Vielmehr müsse der Maßstab sein, ob der Empfänger Freiheit und Menschenrechte respektiere. Stefan Birkner (FDP) kritisierte die bisherige deutsche Politik, eigene Umweltstandards hoch zu halten und die Probleme ins Ausland zu verlagern – so das Gas aus Russland zu beziehen oder bei einer drohenden Nahrungsmittelkrise trotzdem auf den Flächenstilllegungen in Deutschland zu bestehen. Eine neue Strategie der europäischen Energieversorgung und Ernährungssicherung sei notwendig. Er meinte, auch über die Renaissance der Kernkraft müsse man nachdenken. Modder betonte indes: „Ein Zurück zur Kernkraft wird es mit uns nicht geben.“

Importstopp für russisches Gas? Birkner betonte: „Wir finanzieren derzeit mit unserem Öl- und Gasbezug den Krieg in der Ukraine.“ Marcus Bosse (SPD) sagte: „Ich bin überzeugt, dass wir über kurz oder lang ein komplettes Embargo gegenüber russischem Öl und Gas bekommen.“ Man könne die gegenwärtige Situation „ruhigen Gewissens nicht ertragen“. Umweltminister Olaf Lies (SPD) meinte jedoch: „Ich warne davor, morgen ein Embargo zu verhängen, dann wird nämlich unsere Industrie nicht mehr handlungsfähig sein.“