Ministerpräsident ist „beunruhigt“ über Zustände in Salzgitter
Die Stadt Salzgitter wird, wie der Rundblick gestern berichtete, besonders stark von syrischen Flüchtlingen als neuer Heimatort ausgewählt. Diese Entwicklung lässt die Sorge vor einer „Ghetto-Bildung“ in Salzgitter wachsen, und Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) hat sich schon vor Monaten darüber in einem Schreiben an Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gewandt. Wie Regierungssprecherin Anke Pörksen gestern sagte, sei Weil „beunruhigt“. Vor wenigen Tagen war er in Salzgitter und erlebte, dass in einem Kindergarten 94 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben. Diese Zustände seien in Großstädten nicht unüblich, erklärte Pörksen, in einer eher mittelgroßen Stadt wie Salzgitter schon. „Wir denken gemeinsam mit dem Innenministerium über Maßnahmen nach“, sagte die Regierungssprecherin. Die Lage in Salzgitter sei auch wegen des Einbruchs bei der Gewerbesteuer besonders problematisch.
Lesen Sie auch:
- Salzgitter ist Spitzenreiter: In keiner anderen Stadt suchen mehr Flüchtlinge ihre Heimat
- Kommentar: Der Salzgitter-Effekt
Oberbürgermeister Klingebiel hatte im Dezember dem Ministerpräsidenten geschrieben und dabei sowohl von einem finanziellen Ausgleich für die Integrationskosten gesprochen wie auch von der umstrittenen „Wohnsitzauflage“. Damit ist Paragraph 12 des Aufenthaltsgesetzes gemeint, der es den Behörden erlaubt, für einen anerkannten Asylbewerber innerhalb einer Frist von drei Jahren den Wohnort vorzugeben. Niedersachsen hatte im vergangenen September auf die Anwendung dieser Vorschrift verzichtet, das Land unterscheidet sich damit, wie das Innenministerium gestern mitteilte, unter anderem von den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt, in denen die Wohnsitzauflage angewandt wird. Wie die Sprecherin von Innenminister Boris Pistorius erklärte, sei „derzeit keine Änderung beabsichtigt“. Ausgeschlossen sei dies allerdings auch nicht. Die Grünen-Vorsitzende Meta Janssen-Kucz sagte allerdings dem Rundblick, die Rückkehr zur „Wohnsitzauflage“ sei für die Grünen ausgeschlossen: „Das ist mit uns nicht zu machen.“ Ähnlich äußerte sich der FDP-Innenpolitiker Jan-Christoph Oetjen: „Der Angst vor einer Ghettoisierung in den Kommunen mit einer bürokratischen Wohnsitzauflage zu begegnen, ist ein falscher Ansatz.“ Vielmehr sollten Sprachkurse verstärkt und Integrationskosten vom Land erstattet werden. Der CDU-Politiker Reinhold Hilbers sagte, ohne Wohnsitzauflage drohe einigen Städten wie Salzgitter, Wilhelmshaven und Delmenhorst eine Überforderung.
In diese Richtung weisen auch die Befürchtungen der Stadtverwaltung in Salzgitter. Der Ministerpräsident hatte kürzlich bei einem Besuch in der Stadt angedeutet, man könne über eine andere Verteilung der Mittel aus dem „kommunalen Finanzausgleich“ reden – indem beispielsweise reichere Kommunen verzichten zugunsten von solchen, die wie Salzgitter einen besonders hohen Aufwand an Leistungen für Sprachkurse und Integration schultern müssen. Dies zu fordern ist aber gerade für den Oberbürgermeister von Salzgitter ein Problem – denn Frank Klingebiel ist in Personalunion Präsident des Niedersächsischen Städtetages, muss also gleichzeitig für seinen gesamten Verband sprechen. Dies kann für seine Verhandlungsposition gegenüber dem Land nicht unbedingt förderlich sein.