
Der Rammschlag ist gesetzt, der Bau des neuen LNG-Anlegers in Wilhelmshaven kann beginnen. Schon im Winter soll über den Seehafen flüssiges Gas über eine schwimmende Gasspeicher- und Regasifizierungsanlage (FSRU) ins Fernleitungsnetz eingespeist werden. Für Energieminister Olaf Lies (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) ist das Grund zu jubeln. Die niedersächsischen Grünen blicken dagegen mit gemischten Gefühlen auf das Erdgas-Projekt, das ausgerechnet von einem Grünen-Bundesminister vorangetrieben wurde.

„Es ist besonders peinlich für die Grünen, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck extra anreist und dieser Bausünde der fossilen Energie seinen Segen gibt“, spottete Daphne Weber vom Parteivorstand der Linken am Donnerstag und sagte: „Statt mit Hochdruck in erneuerbare Energien zu investieren, verbricht man jetzt ein LNG-Terminal, das man letztes Jahr noch abgelehnt hat.“ Christian Meyer, zweiter Spitzenkandidat der Grünen in Niedersachsen, nimmt die Kritik jedoch gelassen. Auch die scharfe Haltung der Umweltverbände, die das LNG-Terminal strikt ablehnen, stehe nicht im Gegensatz zur Parteilinie.
„Es ist uns wichtig, dass es für die LNG-Terminals eine klare Befristung gibt und sie mit den Klimazielen in Übereinstimmung stehen."
Christian Meyer

„Es ist ja klar: Man kann fossiles Gas aus Russland jetzt nicht eins zu eins durch fossiles Gas aus anderen Quellen ersetzen, sondern muss auch bei den Erneuerbaren Energien einen Turbo zünden“, sagt Meyer im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick und macht klar: „Es ist uns wichtig, dass es für die LNG-Terminals eine klare Befristung gibt und sie mit den Klimazielen in Übereinstimmung stehen. Es kann nur ein kurzer Übergang zu den Erneuerbaren Energien sein und wir fordern, dass parallel dazu auch schon die Wasserstoff-Infrastruktur ausgebaut wird.“ BUND-Landesgeschäftsführerin Susanne Gerstner befürchtet dagegen „gravierende Auswirkungen durch die heute beginnenden Baumaßnahmen auf das Wattenmeer und die Küste“. Und auch der Nabu ärgert sich über mangelnde Beteiligung der Naturschutzverbände.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat bereits Widerspruch gegen die Genehmigung durch den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) eingelegt. Der Bau eines LNG-Terminals sei „energiepolitisch nicht nachvollziehbar und aus Sicht des Klima- und Naturschutzes klar abzulehnen“. Der niedersächsische CDU-Fraktionsvize Ulf Thiele kritisierte das Verhalten der Umwelthilfe als „entlarvend“. „Die sozialen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Folgen sind diesen Herrschaften offenbar egal“, ärgerte sich Thiele über die DUH. Habeck verteidigt die LNG-Lösung als „Brückentechnologie“: „Diese Brücke wollen wir so kurz wie möglich halten.“ Eine mögliche Klage der DUH gegen das Flüssiggas-Projekt hatte Habeck mit den Worten kommentiert: „Das solltet ihr nicht tun an dieser Stelle.“
Die Baukosten für das schwimmende LNG-Terminal liegen laut Althusmann bei 40 Millionen Euro, hinzu kommen 5 Millionen Euro für die Planung. Das Terminal wird von Uniper betrieben und von Open Grid Europe (OGE) an das deutsche Erdgasnetz angebunden. Das Energieunternehmen EWE will von dieser Leitung etwas Gas abzweigen. „Möglich wird so der Abtransport von Mengen in das nordwestdeutsche Netz. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass die Kapazität der neuen Infrastruktur möglichst gut ausgeschöpft wird“, sagt EWE-Vorstandsvorsitzender Stefan Dohler.
Sowohl Althusmann als auch die niedersächsische Wirtschaft drängen darauf, dass auch Stade zu einer LNG-Drehscheibe wird. Auf Bundesebene ist das aber noch kein Thema. „Die Pläne für Stade müssen so rasch wie möglich vorangetrieben werden“, fordert Birgit Stehl. Die Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen sagt: „Aus Sicht der niedersächsischen Wirtschaft hat dies vor allem mit Blick auf die noch immer nicht absehbaren Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine und die damit verbundenen Energielieferengpässe oberste Priorität.“
In Cuxhaven hat Wintershall Dea am Mittwoch offiziell mit dem Bau einer Elektrolyseanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff begonnen. Mit dem CO2-neutralen Treibstoff sollen zukünftig die vier Versorgungsschiffe für das Erdölfeld Mittelplate betrieben werden. Das förderstärkste Erdölfeld Deutschlands liegt im schleswig-holsteinischen Wattenmeer und erzeugt knapp drei Millionen Liter Öl täglich. Die Bohr- und Förderinsel wird von Cuxhaven aus versorgt, wobei ein Versorgungsschiff pro Jahr rund 275.000 Diesel verbraucht.

Damit die Fahrten künftig klimaneutral sein können, wird der klimaneutral erzeugte Wasserstoff in Cuxhaven auch verdichtet und in Speichern mit verschiedenen Druckstufen gelagert. In den Tankcontainer der Schiffe wird der Wasserstoff dann mithilfe einer Brennstoffzelle in Strom umgewandelt, der wiederum einen Elektromotor betreibt. „Durch diese erste praktische, maritime Anwendung soll in Cuxhaven der Grundstein für eine Wasserstoffinfrastruktur gelegt werden, von deren Ausbau der Hafen und die gesamte Region profitieren“, sagt Wintershall-Dea-Sprecher Derek Mösche.
In Lingen hat Energieminister Olaf Lies (SPD) bereits am Dienstag eine Förderzusage über 8 Millionen Euro für eine Elektrolysetestanlage von RWE überreicht. „Hier schaffen wir gemeinsam die Basis für einen ganzen Elektrolyseur-Park, der hier entstehen kann und soll“, sagte Lies. Laut RWE spielt der Standort Lingen eine Schlüsselrolle in der Wasserstoffstrategie des Konzerns. „Bis 2030 wird RWE zwei Gigawatt eigene Elektrolysekapazität schaffen, um damit grünen Wasserstoff zu erzeugen“, beschreibt Wasserstoff-COO Sopna Sury die Pläne auf dem Gelände des Gaskraftwerks Emsland.

Ab Frühjahr 2023 soll die Anlage mithilfe von grünem Strom bereits 290 Kilogramm grünen Wasserstoff pro Stunde erzeugen, der in ein öffentliches Netz eingespeist oder als Brennstoff für die Gasturbinen beigemischt werden soll. „Mit der Versuchsanlage wollen wir Betriebserfahrungen im industriellen Einsatz der beiden Technologien sammeln, die etwa als Teil von ‚Get H2‘ im dreistelligen Megawatt-Bereich zum Einsatz kommen sollen“, sagt Sury. Das Ziel von „Get H2“ sei es, gemeinsam mit anderen Partnern aus der Wirtschaft „die kritische Masse zu schaffen, die es braucht, um den Aufbau einer überregionalen Wasserstoffinfrastruktur in Gang zu setzen“.
Fast Dreiviertel der Bundesbürger (74 Prozent) ist nach dem russischen Angriff auf die Ukraine der Ansicht, dass Deutschland selber Erdgas fördern sollte. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) im Auftrag von Wintershall Dea halten 41 Prozent der Befragten die heimische Erdölförderung für wichtig, 33 Prozent sogar für sehr wichtig. Seit Kriegsbeginn ist auch das Vertrauen in die Energiesicherheit gesunken. 56 Prozent der Befragten glauben nicht mehr daran, dass die Energieversorgung jederzeit gesichert ist. Das sind 13 Prozent mehr als noch im Februar 2022. Nur noch jeder Zehnte (11 Prozent) hält Russland für einen verlässlichen Energiepartner. Bei einer Forsa-Umfrage 2018 vertrauten noch 49 Prozent der Befragten auf russische Energieimporte.