16. Nov. 2023 · Wirtschaft

Lies: Teure Lärmdämmung bei Neubauten können wir uns nicht mehr leisten

Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hat einen neuen Kurs in der Wohnungsbaupolitik angekündigt. „Bisher ging es bei der Novelle von Bauvorschriften stets darum, die Geräusche zu dämpfen, die Wärme zu isolieren und die Barrierefreiheit zu sichern. Das sind Dinge, die wir uns jetzt nicht mehr leisten können. Es muss darum gehen, was wir an Vorgaben künftig weglassen können“, erklärte der Minister bei der Vorstellung der neuen „Wohnungsmarktbeobachtung“ am Donnerstag. Lies fügte hinzu: „In Zukunft werden die Geschossdecken dünner sein, dann wird man auch die Nachbarn hören können – beispielsweise auch im Treppenhaus.“ In der Novelle der Bauordnung, die demnächst im Kabinett beschlossen werden soll, möchte der Wirtschaftsminister einen Abbau bisheriger Vorgaben durchsetzen. Er hofft, dass diese Vorschrift und die ebenfalls diskutierte „Umbau-Ordnung“ dann „vor Beginn der Sommerpause 2024 im Landtag beschlossen werden können“. Bei der „Umbau-Ordnung“ geht es darum, beispielsweise den Ausbau von Dachgeschossen zu erleichtern. Es sollten dann nur für den Teil Genehmigungen nötig werden, der neu hinzukommt, nicht wie bisher auch für den Bestand an Gebäudeteilen. Bei den Reformen geht es auch um die Abschaffung der Nachweispflicht für Parkflächen. „Es ist besser, Geld in neue Wohnungen zu stecken statt in Parkgaragen, die am Ende ungenutzt bleiben“, erklärt Lies. Was Terrassentüren angeht, sollten diese entweder lärmdämmend oder barrierefrei sein – „beides zusammen aber ist zu viel, weil dies den Bau einfach zu teuer macht“, fügte der Minister hinzu. Die Vorschläge von Lies haben im Vorfeld schon Widerspruch erzeugt, wenn auch leise. So hatte sich die Konferenz der Oberbürgermeister kritisch zur geplanten Abschaffung der Parkplatz-Nachweispflicht geäußert.

Michael Kiesewetter, Olaf Lies und Susanne Schmitt stellen den Wohnungsmarktbericht vor. | Foto: Wallbaum

Bei der Vorstellung der „Wohnungsmarktbeobachtung“ wurde Lies unterstützt von der Direktorin des Verbandes der Wohnungswirtschaft (vdw), Susanne Schmitt. Die Steigerung des Baukostenindexes liege doppelt so hoch wie die der Lebenshaltungskosten. Daher sei der Neubau fast völlig zum Erliegen gekommen, erläuterte Michael Kiesewetter von der N-Bank. Für 2024 wird mit lediglich 17.000 neu fertiggestellten Wohnungen landesweit gerechnet – 2022 waren es noch 32.500. Die N-Bank freut sich gegenwärtig über die rege Nachfrage nach den zinslosen Krediten (0 Prozent auf eine Laufzeit von 25 Jahren) für sozialen Wohnraum. Der Wohnraumfonds mit 500 Millionen Euro könne sicherstellen, dass bis Ende 2024 mehr als 3000 Wohnungen gebaut werden. Die Prognose sieht aber bis zum Jahr 2040 ein Wachstum der Einwohnerzahlen Niedersachsens von derzeit 8,03 Millionen auf 8,15 Millionen Menschen aus. „Bis 2040 werden daher 150.000 neue Wohnungen gebraucht, im Grunde also 9000 jährlich“, sagte vdw-Direktorin Schmitt. Lies meinte, zwischen den 3000 Wohnungen, die über den Wohnraumfonds der N-Bank zu schaffen wären, und den erforderlichen 9000 Wohnungen klaffe eine große Lücke. Diese könne nicht allein der Staat schließen – und deshalb brauche man bei den Vorschriften eine Erleichterung, damit private Investoren aktiv werden. „Mehr Förderung des Staates wird schwierig werden – gerade nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds“, betonte Lies.

Die N-Bank, Lies und vdw-Direktorin Schmitt stellten ihre Pressekonferenz unter das Motto „Zeit umzudenken“. Das bis zum Jahr 2040 jetzt vorausgesagte Bevölkerungswachstum ist in Niedersachsen nach den aktuellen Daten der „Wohnungsmarktbeobachtung“ nicht einheitlich. Es gibt eher schrumpfende Regionen wie Ostfriesland, Cuxhaven, Lüchow-Dannenberg, den Norden der Kreise Gifhorn und Celle – aber auch den Harz und die Kreise Hildesheim, Holzminden und Northeim. Diesen stehen die stark wachsenden Regionen gegenüber – das sind das Emsland, die Grafschaft Bentheim, der Südoldenburger Raum, aber auch Osnabrück, Leer und Teile von Diepholz. Auch das Umland von Hamburg gehört dazu, etwas weniger stark die Region Hannover und Braunschweig. Für viele Kernstädte, etwa Hildesheim, Göttingen und Wilhelmshaven, wird ein Verlust vorhergesagt. Die Städte Celle, Hannover und Wolfsburg sollen von leichten Rückgängen geprägt sein.

Dieser Artikel erschien am 17.11.2023 in Ausgabe #200.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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