Leitfaden zum Wolfsabschuss wird derzeit aktualisiert – bleibt aber veraltet
Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) erklärte am Donnerstag in Hannover, der Praxisleitfaden zum geregelten Abschuss von Problemwölfen werde derzeit vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) überarbeitet. Einfließen soll dabei vor allem der neuste Sachstand, der sich durch die jüngste Entscheidung des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) zum neuen Schnellabschussverfahren ergeben hat. Beim Naturschutzbund Nabu hält man das allerdings für einen Fehler. Frederik Eggers vom Nabu-Landesverband beklagte im Anschluss an die Sitzung des Dialogforums „Weidetierhaltung und Wolf“, dass in die überarbeitete Fassung des Praxisleitfadens nicht noch weitere Gerichtsentscheidungen zum Wolfsabschuss einfließen werden. In den vergangenen Monaten hatte es nicht nur von niedersächsischen Verwaltungsgerichten, sondern auch vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegweisende Beschlüsse gegeben. Klare Aussagen zum Umgang mit Problemwölfen an Deichen werde es deshalb auch nach der Neufassung des Verwaltungsleitfadens noch nicht geben, der für alle Behörden in Deutschland verbindliche Regelungen zur Genehmigung von Wolfsabschüssen bereitstellen soll. Umweltminister Meyer geht derweil davon aus, dass es auch künftig den Ländern überlassen bleibt, besondere Zumutbarkeiten beim Herdenschutz festzulegen, die sich an den regionalen Gegebenheiten orientieren. So sollte es für die Alpen andere Bestimmungen geben als am Deich.
Dass über den Wolf derzeit vorrangig vor Gerichten entschieden werden muss, scheint sowohl bei den Umwelt- als auch bei den Tierhalterverbänden für Unmut zu sorgen. „Die Rechtssicherheit steht auf sehr wackeligen Beinen und ist bislang jedes Mal umgefallen“, analysierte Eggers vom Nabu die vergangenen Gerichtsverfahren. Jörn Ehlers, Landvolk-Vizepräsident und Sprecher vom „Aktionsbündnis aktives Wolfsmanagement“, verweist derweil auf die Widersprüche zu früheren Gerichtsentscheidungen. „Die Urteile lassen uns ratlos zurück, ich vermisse den roten Faden“, sagte er in der gemeinsamen Pressekonferenz der Landesregierung mit den Teilnehmern des Dialogforums. Ehlers meint, die Gerichte sollten vom Gesetzgeber eine bessere Grundlage an die Hand bekommen, um beim Thema Wolf klare Entscheidungen herbeiführen zu können. An dieser Stelle sieht Umweltminister Meyer allerdings andere politische Ebenen gefragt, allen voran die Europäische Union. Nach der Wahl sei es nun an der Zeit, dass die neue EU-Kommission in Sachen Wolfspolitik tätig wird, forderte Meyer. „Eine Lösung kann nur auf europäischer Ebene getroffen werden.“ Tatsächlich liegt auf europäischer Ebene der Ball gerade im Spielfeld des EU-Rates, also dem Gremium der Regierungen der Mitgliedstaaten. Diese haben über den Antrag der Kommission zu entscheiden, ob beim Europarat ein Antrag auf Absenkung des Schutzstatus für den Wolf eingereicht werden soll.
„Wenn der Wolf nicht mehr streng geschützt ist, muss es ein regional differenziertes Bestandsmanagement geben – ohne den Wolf wieder auszurotten.“
Bund und EU sieht der Landesminister auch dafür in der Verantwortung, den aktuellen Stand der Wissenschaft in das entsprechende Regelwerk zu überführen. Niedersachsen mache in der Wolfspolitik schon viel, sagte Meyer, könne aber nicht alle Aufgaben übernehmen. Eine stärkere Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse war von den Gerichten bei der Ausgestaltung der Abschussgenehmigungen angemahnt worden. Aber auch Eggers vom Nabu forderte dies wiederholt ein und kritisierte, dass bei der Erarbeitung des neuen Praxisleitfadens nicht einmal die neusten Erkenntnisse des Bundesamts für Naturschutz selbst mit einfließen würden. Er sagte aber auch klar: „Von einem Biologen in einer Fachbehörde erwarte ich, den neusten Stand zu kennen.“ Damit meint er auch Studien, mit denen bewiesen werden soll, dass Wolfsabschüsse quasi keinen Einfluss auf den Herdenschutz haben. Landvolk-Vize Ehlers betont jedoch, dass für ihn eine Lösung nur in der Kombination aus Herdenschutzmaßnahmen und dem Abschuss von Problemwölfen bestehen könne. Beim Herdenschutz setzt Niedersachsen ab dem kommenden Jahr auf eine Kopfpauschale für Schafe und Ziegen. Außerdem strebt man eine flexiblere Regelung bei der Förderung von Schutzzäunen für Pferde- und Rinderhaltungen an. Dass dereinst in Niedersachsen alle Weiden mit wolfsabweisenden Zäunen eingeschlossen sind, will Umweltminister Meyer allerdings auch nicht. „Wir brauchen eine gewisse Verhältnismäßigkeit von Natur- und Artenschutz. Wenn der Wolf nicht mehr streng geschützt ist, muss es ein regional differenziertes Bestandsmanagement geben – ohne den Wolf wieder auszurotten.“
Dieser Artikel erschien am 16.08.2024 in der Ausgabe #139.
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