So lassen sich Mädchen für technische Berufe begeistern
Die Kampagnen zeigen Wirkung. Rund 30 Prozent der Studierenden in technischen Fächern wie Mathematik, Informatik und Maschinenbau sind mittlerweile weiblich. Diese Quote hat das Bündnis „Nationaler Pakt für Frauen in MINT-Berufen“, dem auch Niedersachsen angehört, im vergangenen Jahr ermittelt. Doch fragt man junge, naturwissenschaftlich interessierte Frauen, so wünschen diese sich von Unternehmen und Politik noch mehr als Showveranstaltungen und Mitmach-Aktionen.
„Es muss mehr Vorbilder geben“, fordert Caréen Speer, Maschinen- und Anlagenbedienerin in der Fertigung von Arconic in Hildesheim. Es sei nicht so, dass man bei Mädchen und jungen Frauen den Spaß an Technik erst wecken müsse. „Aber viele haben Angst davor, allein unter Männern zu arbeiten. Sie wagen den Schritt in den Beruf erst, wenn es mindestens eine Frau gibt, an der sie sich orientieren können“, ist Speer überzeugt.
Sie selbst hatte keine Bedenken, als sie vor fast fünf Jahren ihre Ausbildung bei Arconic begann. Doch bei ihren Mitschülerinnen habe ihre Entscheidung erst für Kopfschütteln gesorgt. „Die konnten sich nicht vorstellen, allein unter Männern zu arbeiten.“ In den ersten Tagen im Betrieb kam Speer jedoch selbst ins Grübeln. Denn die rein männliche Belegschaft begegnete ihr erst einmal mit Skepsis und Reserviertheit. „Die kannten Frauen ja nur aus der Verwaltung, und jetzt kam da so eine kleine niedliche Person, die ihren Beruf lernen wollte“, erzählt Speer.
Freiwilliges ,Metalljahr‘ in Hildesheim
Sie hat sich damals selbst geholfen, indem sie offen auf die neuen Kollegen zugegangen ist und sie ausgefragt hat. „Mittlerweile will mich keiner mehr gehen lassen“, sagt sie und lacht. Allerdings ist nicht jede Frau so mutig. Speer hält es deshalb für wichtig, wenn Frauen selbst für die Branche und das Unternehmen werben, aus denen sie kommen. „Ich habe schon mehrere Freundinnen zu einem Praktikum bei Arconic gebracht und zwei Bekannte machen jetzt ein Freiwilliges ,Metalljahr‘ an der Berufsbildenden Schule in Hildesheim“, sagt sie.
Sie glaubt, dass diese Form der Werbung auch über das persönliche Umfeld hinaus wirksam ist. Wenn Frauen etwa auf Flyern mit Stellenanzeigen für technische Berufe abgebildet sind, mache das gleich einen anderen Eindruck auf Mädchen. Ebenso, wenn Frauen bei Jobmessen ganz vorn mit dabei sind, und ihre Branche vorstellen. „Das signalisiert nicht nur, dass der Job auch für Frauen geeignet ist, sondern dass dort auch wirklich Frauen arbeiten, an denen man sich orientieren kann.“
Mindestens ein Mädchen hat Speer vergangene Woche wieder von ihrem Beruf überzeugt. Die junge Iranerin Aida gehörte zu einer Gruppe von Schülerinnen, die bei dem Projekt „MEdchen!“ der Stiftung Niedersachsenmetall und Arconic einen Blick ins Innenleben der Firma werfen konnten, die Schrauben für Flugzeuge herstellt. Neben einer Betriebsführung und einer kleinen Mitmacheinheit stellten sich den Mädchen auch drei Frauen vor, die in unterschiedlichen technischen Feldern bei Arconic arbeiten. Aida war dabei besonders von Speer und ihrer Schichtleiterin Magdalena Maciv beeindruckt. „Diese beiden Frauen haben keine Angst, nur mit Männern zu arbeiten. Ich habe jetzt auch keine Angst mehr.“
Die 14-Jährige besucht die 8. Klasse der Realschule Himmelsthür und muss in diesem Jahr noch ein dreiwöchiges Praktikum machen. „Ich denke, ich werde mich hier bei Arconic bewerben.“ Sie hat oft das Gefühl, dass Mädchen immer noch eingeredet wird, ihre Welt seien das Schminken und Basteln, Technik und Mathematik wären bloß etwas für Jungs. „Dabei können wir genauso gut Maschinen bedienen und rechnen.“ Aus ihrer Sicht müssten sich junge Frauen einfach mehr trauen, technische Berufe zu ergreifen. „Aber man muss uns auch mehr Vertrauen geben.“