30. Jan. 2019 · Bildung

11-Punkte-Plan: Tonne will Lehrer zügig von Aufgaben entlasten

Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne hat einen 11-Punkte-Plan zur Arbeitsentlastung von Lehrern präsentiert. Die Punkte sollen im März beim nächsten Runden Tisch mit Bildungsverbänden und Gewerkschaften besprochen werden. Danach sollen Entscheidungen fallen. Tonne ist gleich beim ersten Punkt auf der Liste unter Zeitdruck. Er schlägt vor, die bundesweiten Vergleichsarbeiten in den dritten und achten Klassen (Vera 3 und Vera 8) in Mathematik, Deutsch und Englisch auszusetzen. Die nächsten Vergleichsarbeiten in den achten Klassen finden allerdings bereits ab dem 18. Februar statt, die Arbeiten in den achten Klassen sind für Ende April terminiert. Bei der Abschaffung der Vergleichsarbeiten gehe es nicht um eine Qualitätsminderungsdebatte, betonte Tonne. Es gebe eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem, was man sich in der Theorie davon versprochen habe und was sie in der Praxis bewirkt hätten. „Der Umgang mit den Ergebnissen ist nicht mit der zusätzlichen Belastung in Einklang zu bringen“, sagte der Kultusminister. https://soundcloud.com/user-385595761/tonne-will-vergleichsarbeiten-in-zwei-klassenstufen-abschaffen In seinem 11-Punkte-Plan spricht sich Tonne auch dafür aus, die jährliche Evaluation der eigenen Arbeit, die Schulen bisher jedes Jahr durchführen, nur noch alle zwei Jahre stattfinden zu lassen. „Der zweijährige Rhythmus reicht. Wenn in einer Schule ein Missstand aufgetreten ist, muss ohnehin völlig unabhängig von der Evaluation gehandelt werden. Auch hier gibt es gibt keine Einbuße bei der Qualität“, meinte Tonne. Die Entlastungs-Liste sieht außerdem vor, individuelle Lern- und Entwicklungsberichte der Schüler nur noch anlassbezogen zu erstellen, die Zahl der Fachkonferenzen zu reduzieren. Vorgesehen sind auch weniger Dokumentationspflichten beim Übergang von der Grund- in die weiterführende Schule.

Lob und Tadel für Tonnes 11-Punkte-Plan

Während die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Niedersachsen die Liste kritisierte, bekam Tonne vom niedersächsischen Philologenverband Beifall. „Die Richtung, die der Kultusminister hier einschlägt, stimmt“, sagte der Vorsitzende des Philologenverbands, Horst Audritz. Die elf Punkte, die umgehend umgesetzt werden müssten, seien ein wichtiger und richtiger Schritt zur Entlastung der Lehrer. Dennoch dürfen die „zum Teil kleinteiligen Entlastungen“ nicht darüber hinwegtäuschen, dass deutlich schwerwiegendere Probleme auf konkrete Lösungen warteten. Passend dazu könnte es am Verwaltungsgericht Hannover bereits am Donnerstagvormittag eine Entscheidung zu einer Klage auf Gewährung von Anrechnungsstunden für Inhaber von Funktionsstellen - wie Schulleiter oder Zweikorrektoren - geben. [caption id="attachment_38025" align="aligncenter" width="780"] Kultusminister Grant Hendrik-Tonne bei der Vorstellung der Statistik zum Schulhalbjahr - Foto: MB.[/caption] Die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth kritisierte, eine Aufgaben-Streichliste mit allenfalls geringer Wirkung sei nicht geeignet, das vollkommen überlastete System Schule zu heilen. Der Minister versuche hier, „offene Knochenbrüche mit einem Pflaster zu verarzten“. Torsten Neumann, Landesvorsitzender des Verbands Niedersächsischer Lehrkräfte, bescheinigte Tonne, mit dem vorgelegten Maßnahmenkatalog seinen guten Willen gezeigt zu haben, sieht aber dadurch nur punktuelle Entlastungen für einen Teil der Lehrer. https://soundcloud.com/user-59368422/brauchen-wir-in-der-schule-wirklich-strengere-noten-herr-audritz Auch der FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling nannte die elf Punkte einen Tropfen auf den heißen Stein. „An den Schulen macht sich keineswegs Erleichterung, sondern vielmehr Resignation breit. Für den Kultusminister haben wir deshalb heute nur eine gut gemeinte Vier minus. Da ist noch viel Luft nach oben“, sagte Försterling. Julia Hamburg, schulpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, nannte Tonnes Plan das Auftragen weißer Salbe. „Entlastung von Verwaltungsaufgaben kann ein sinnvoller Schritt sein, es löst aber nicht die Überlastung der Lehrer“, sagte Hamburg.

Eine Aufgaben-Streichliste mit allenfalls geringer Wirkung ist nicht geeignet, das vollkommen überlastete System Schule zu heilen. Der Minister versucht hier, offene Knochenbrüche mit einem Pflaster zu verarzten.


Der Kultusminister präsentierte am Mittwoch in Hannover auch die Zahlen zum Schulhalbjahr. So stieg die Unterrichtsversorgung um 0,7 Prozentpunkte auf 99,4 Prozent, schwankt aber nach wie vor stark zwischen 93,4 Prozent an Förderschulen und 102,2 Prozent an Gymnasien. Laut Tonne wurden deutlich mehr neue Lehrer eingestellt als aus dem Dienst ausgeschieden sind. Hier stehen rund 1140 Neueinstellungen 750 Lehrern gegenüber, die nicht mehr an den Schulen unterrichten. Der Anteil der Quereinsteiger lag bei knapp neun Prozent. Auch im zweiten Schulhalbjahr gibt es wieder Abordnungen von Lehrern an andere Schulformen. Betroffen sind insgesamt rund 2600 Lehrer. Das sind im Vergleich zum Start der Schuljahres über 20 Prozent mehr. Im Vergleich zum letzten Schulhalbjahr sind es allerdings etwa zehn Prozent weniger. Die aktuelle Zahl wertete Tonne deshalb durchaus als Erfolg.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #019.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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