Künftig soll „Werte und Normen“ verpflichtend auch an Grundschulen unterrichtet werden
Seit 45 Jahren ist das Unterrichtsfach „Werte und Normen“ ab der fünften Klasse in Niedersachsen verpflichtend – für jene Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Anfangs hieß das noch nicht „Werte und Normen“, der Name ist erst seit 1993 verbindlich. Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) plant nun den nächsten Schritt für die 1700 Grundschulen im Land. Sie sollen bis 2025 alle ein Angebot an „Werte und Normen“ (WuN) als verpflichtenden Unterricht (für die Nicht-Besucher des Religionsunterrichtes) schaffen.
Tonne erklärt, dieses Vorhaben sei mit den Kirchen abgesprochen und werde von ihnen auch begrüßt. Denn es gehe ja gerade nicht darum, eine Alternative zum – kirchlich mitgetragenen – Religionsunterricht zu schaffen. Vielmehr sei es heute oft so, dass Kinder, die den Religionsunterricht nicht besuchen, in dieser Zeit Freistunden haben und auch keine Zeugnisnote in diesem Fach erhalten. Sie könnten sich bisher also entziehen. „Werte und Normen“ sei aber ebenso wie der Religionsunterricht sinnvoll, ganz bestimmte Fähigkeiten bei den Kindern zu wecken – das Nachdenken über sich selbst, die eigene Rolle in der Gesellschaft, über Leben und Tod oder über die Verarbeitung schwieriger Erlebnisse.
WuN-Unterricht soll schrittweise ausgeweitet werden
Der Plan sieht so aus, dass die bisher 40 Grundschulen in Niedersachsen, die den WuN-Unterricht erproben, dieses Angebot verstetigen. Es werden Multiplikatoren qualifiziert und Lehrkräfte fortgebildet, damit sich allmählich Fachberater herausschälen. Vom August 2021 an sollen dann zunächst weitere 400 Grundschulen das Fach verpflichtend anbieten, in den folgenden drei Jahren ebenfalls jeweils weitere 400. Damit werden 2021 erstmals 30 zusätzliche WuN-Lehrer benötigt, die das Fach wöchentlich zwei Stunden unterrichten. In den folgenden drei Jahren sind jeweils weitere 30 neue Stellen dafür erforderlich
Außerdem soll das Schulgesetz geändert werden, damit dieser Unterricht auch für Grundschüler unter den bestehenden Voraussetzungen verbindlich wird. Den Weg beispielsweise des Landes Brandenburg zu gehen und einen verpflichtenden religionskundlichen Unterricht (ohne kirchliche Mitwirkung) vorzuschreiben, lehnt Tonne strikt ab. In diesem Fall wäre der bisherige Religionsunterricht nur zweitrangig, und dagegen stehe das Grundgesetz.
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Auch in Niedersachsen wächst indes der Anteil der Schüler, die nicht an eine Konfession gebunden sind. Waren es 1985 noch sechs Prozent, so stieg der Anteil bis 2018 auf 25 Prozent. Gleichwohl besuchen viele Kinder, die keiner Kirche oder einer muslimischen Glaubensgemeinschaft angehören, den christlichen Religionsunterricht. Nach Angaben des Kultusministeriums liegt der Anteil der Schüler, die in Grundschulen nicht am Religionsunterricht teilnehmen, bei zehn Prozent. Bisher haben Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein Ersatzfach für diese Grundschüler.
Mehr als 90 Prozent der Grundschüler nehmen am Religionsunterricht teil
Aus einer Übersicht des Kultusministeriums geht hervor, dass von den 277.000 Grundschülern knapp 250.000, also mehr als 90 Prozent, am Religionsunterricht teilnehmen. 109.000 Kinder sind evangelisch, 44.000 katholisch und 26.000 muslimisch. Unter „sonstige“ rangieren 18.000, knapp 80.000 Grundschüler haben keine Konfession. Tatsächlich nehmen 137.000 Schüler am evangelischen Religionsunterricht teil, also knapp 30.000 mehr als Kinder dieser Glaubensrichtung angehören, 23.000 am katholischen Religionsunterricht (rund die Hälfte der katholischen Grundschüler). 87.000 besuchen den „konfessionell kooperativen“ Religionsunterricht, also eine Verknüpfung der Angebote beider christlicher Kirchen. 2700 Kinder in Niedersachsen besuchen den islamischen Religionsunterricht.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #192.