Erst wenige Wochen ist es her, dass eine landesweit aufmerksam verfolgte und mit umfangreichen Veranstaltungen begleitete Bürgerabstimmung in Ostfriesland krachend gescheitert ist: Die Mehrheit der Bevölkerung hat im Kreis Aurich und in der kreisfreien Stadt Emden zwar für die Schließung von drei alten Krankenhäusern zugunsten eines neuen entschieden, aber das Projekt wurde trotzdem abgelehnt – weil in Emden eine Mehrheit dagegen war. Bedingung in der Kommunalverfassung ist bisher, dass in jeder beteiligten Kommune eine Zustimmung erreicht sein muss. Da Emden aber nicht zum Kreis Aurich gehört, sondern kreisfrei ist, kam trotz klarer Mehrheit der Abstimmungen ein Ja zu dem Vorhaben nicht zustande. Nun stellt sich die Frage: Stimmen in Niedersachsen die Vorgaben, nach denen sich ein solches Plebiszit ausrichten muss. Kritik hatte vor einigen Wochen im Rundblick schon der Emder Oberbürgermeister Bernd Bornemann (SPD) geäußert. Er monierte, dass die Gegner der Klinikfusion die Fragestellung vorgeben konnten – und dass der Bürgerentscheid schon möglich war, obwohl die Pläne noch nicht vollendet waren. Es fehlte etwa ein Konzept, wie die Bürger ohne große Umstände von den bisher drei Klinikorten zum Standort bislang geplanten Zentralklinik in Georgsheil (Gemeinde Südbrookmerland) kommen können.
Nun meldet sich auch der Verein „Mehr Demokratie“ zu Wort, der als bundesweit als treibende Kraft für mehr direkte Demokratie in Ländern und Kommunen auftritt. Geschäftsführer Tim Weber verweist im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick auf die guten Erfahrungen, die in Hamburg, Bremen, Thüringen und Schleswig-Holstein mit sogenannten „Abstimmungsheften“ gemacht worden seien. In diesen Heften kommen Befürworter und Gegner eines Projektes ausreichend zu Wort. Die Gefahr, dass eine Seite zu stark mobilisiert und damit das öffentliche Meinungsbild dominiert, könne mit solchen Heften, die an jeden Haushalt verteilt werden sollen, vermindert werden.
In Bayern gebe es außerdem eine „Fairnessklausel“. Sie garantiert, dass es bei allen offiziellen Informationen rund um einen Bürgerentscheid ein ausgewogenes Verhältnis von beiden Seiten gibt. „Mehr Demokratie“ meint, dass man mit Ergänzungen und Veränderungen an den Rahmenbedingungen von Plebisziten für mehr Sachbezogenheit und Klarheit in den „Wahlkämpfen“ sorgen kann. Einer Emotionalisierung, wie sie in Ostfriesland festgestellt wurde, könne man so entgegenwirken. Außerdem sei ja mit dem Scheitern der Klinikfusion noch nicht Hopfen und Malz verloren – man könne in einigen Jahren die Abstimmung wiederholen. Die Erfahrung zeige, dass die Bürger sich an Plebiszite erst gewöhnen müssten.
Ein Problem bei der Abstimmung in der Stadt Emden und im Kreis Aurich könnte auch in der Formulierung der Fragestellung gelegen haben. Darauf hatte nach dem Ergebnis der Emder Oberbürgermeister Bornemann hingewiesen. Es gab zwei Bürgerinitiativen, eine für und eine gegen den Klinikneubau. Die Gegner hatten als erste die notwendige Zahl von Unterschriften für einen Bürgerentscheid gesammelt, also durften sie auch die Fragestellung vorgeben. Gegen dieses Verfahren hatte das Innenministerium keine Einwände – aber man könnte die Vorschriften ja auch so verändern, dass sich Befürworter und Gegner zusammentun und an einer gemeinsamen Formulierung arbeiten. Der Vorwurf, mit einer vereinfachten Frage würden die Bürger bewusst in eine bestimmte Richtung gelenkt, könnte so entkräftet werden.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #127.