Diebstähle, Fälschungsdelikte oder schwere Körperverletzung: Die Fälle von Clankriminalität steigen in Niedersachsen weiterhin stark an. Während 2021 noch 2841 Verbrechen der Clankriminalität zugeordnet werden konnten, waren es im vergangenen Jahr bereits 3986 – ein Anstieg von rund 40 Prozent.

Stellen das Lagebild zur Clankriminalität in Niedersachsen vor (von links): Dr. Thomas Hackner, Dr. Kathrin Wahlmann, Daniela Behrens und Axel Brockmann. | Foto: Struck

„Das ist ein Beleg dafür, dass wir bei der Zuordnung der Taten deutlich besser geworden sind“, erläuterte Innenministerin Daniela Behrens gestern bei der Vorstellung des Lagebildes zur Clankriminalität. Im Vergleich zu anderen Straftaten sei die Aufklärungsquote bei der Clankriminalität erstaunlich hoch, so Justizministerin Kathrin Wahlmann. Dennoch schlägt die Clankriminalität bei insgesamt über 500.000 Straftaten in Niedersachsen nur wenig ins Gewicht, macht gerade einmal einen Anteil von 0,76 Prozent aus. Eine Relevanz in der Politik hat sie aber dennoch.

„Wir müssen wissen, ob ein Ladendiebstahl nur ein bloßer Ladendiebstahl ist oder die Tat zu einem System gehört, das unseren Rechtsstaat verunglimpfen will.“

Kathrin Wahlmann

„Wir müssen wissen, ob ein Ladendiebstahl nur ein bloßer Ladendiebstahl ist oder die Tat zu einem System gehört, das unseren Rechtsstaat verhöhnen und verunglimpfen will“, sagt Wahlmann. Clankriminalität habe das Potential, das Sicherheitsempfinden der Bürger nachhaltig negativ zu beeinflussen. Die Tatverdächtigen sind zu etwa 82 Prozent männlich und zeichnen sich durch eine hohe Gewaltbereitschaft sowie eine Ablehnung des Rechtssystems aus. Mehr als die Hälfte der Täter haben eine deutsche Staatsangehörigkeit. Fast ein Drittel der Gesamtfälle sind Straftaten gegen die persönliche Freiheit und Rohheitsdelikte, insbesondere Körperverletzungsdelikte und Bedrohungen. 

Lagebild Clankriminalität 2022 | Grafik: Niedersächsisches Justizministerium und Innenministerium

126 Verfahren gegen jugendliche Clankriminelle eingeleitet

Hotspots, wie in anderen Bundesländern, seien in Niedersachsen nicht in vergleichbarem Ausmaß zu bemerken, so Behrens. Stattdessen ballen sich die Fälle insbesondere um Bremen, Hamburg und an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen herum. Im Heidekreis, Gifhorn und in Celle sind am wenigsten Fälle bekannt. Besonders auffällig: Immer mehr Minderjährige begehen Straftaten. Während im vergangenen Jahr 106 Verfahren gegen Jugendliche eingeleitet wurden, waren es in diesem Jahr bereits 126 Verfahren – davon viele gegen strafunmündige Kinder. Thomas Hackner vom Justizministerium ist der Fall einer rumänischen Großfamilie aus der Region Hannover besonders im Gedächtnis geblieben. Beinahe täglich hätten die Jugendlichen Handys, Kleidung oder Drogerieartikel gestohlen. Die Schwierigkeit: Die Anstiftung der Eltern zu den Diebstählen lässt sich nur sehr mühevoll nachweisen. Leichter sei es deshalb, den Eltern eine Verletzung der Fürsorgepflicht zu beweisen.



Bei der Verfolgung der Fälle spielen die vier spezialisierten Zentralstellen der Staatsanwaltschaften in Hildesheim, Braunschweig, Osnabrück und Stade eine entscheidende Rolle. Gute Kenntnisse der regionalen Gegebenheiten seien entscheidend für eine erfolgreiche Ermittlung. Insbesondere die Staatsanwaltschaft Osnabrück sticht durch eine Anklagequote von 60 Prozent hervor, die knapp viermal höher als die allgemeine Anklagequote ist. Neben der Verurteilung selbst sei auch eine Vermögensabschöpfung für die Angeklagten besonders schmerzhaft, erklärt Wahlmann. Über 3,1 Millionen Euro flossen 2022 zurück an den Staat, ein leichter Rückgang zum vorherigen Jahr.