5. Jan. 2020 · Inneres

Kontroverse um AfD-Mitglieder mit Beamtenstatus

Wie soll man mit Beamten umgehen, die sich zu ihrer AfD-Mitgliedschaft bekennen und womöglich sogar Sympathie für die rechtsgerichtete Gruppierung „der Flügel“ innerhalb der AfD zeigen? Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hatte im vergangenen Oktober in der „Bild am Sonntag“ ein Interview gegeben und darin erklärt: „Natürlich dürfen Polizisten Mitglied in einer Partei sein, auch in der AfD. Das gilt aber nicht für den ,Flügel‘, den extremistischen Arm der AfD.“ Er fügte außerdem hinzu: „Wer sich offen zum ,Flügel‘ bekennt, dem sollte der Beamtenstatus aberkannt werden.“ Mit dieser Einschätzung weckte Pistorius Vermutungen, ihm sei an einer Neuauflage des Radikalenerlasses aus den siebziger und achtziger Jahren gelegen. Kurz vor dem Jahreswechsel hat nun ein anderer bekannter Sozialdemokrat aus Niedersachsen, der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder, seine Distanz zu dieser Denkrichtung offenbart. Schröder äußerte sich im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, und er antwortete auf die Frage: „Als AfD-Vertreter soll man womöglich nicht mehr Beamter werden. Ist das der richtige Weg?“ Daraufhin Schröders Antwort: „Ich habe eine klare Haltung zur AfD: Diese Partei muss entschieden bekämpft werden – aber argumentativ und nicht administrativ. Ich war aus guten Gründen immer gegen Berufsverbote, und um nichts anderes handelt es sich dabei.“ Später fügte Schröder noch hinzu, das Fehlverhalten von Lehrern, die etwa im Geschichtsunterricht politisch indoktrinieren wollen, müsse über das Disziplinarrecht gelöst werden.

Pistorius erklärt, er sei missverstanden worden

Nun hat Pistorius wiederholt erklärt, er sei missverstanden worden und befürworte keineswegs einen neuen Radikalenerlass. Es gehe ihm ausdrücklich nur darum, das persönliche Fehlverhalten einzelner Beamter zu sanktionieren. Insofern wird auch keine Meinungsverschiedenheit zu der Einlassung des Alt-Kanzlers gesehen. Dennoch bestehen bei näherer Betrachtung der Zitate kaum Zweifel: Pistorius‘ Einlassung, abgegeben in einer Zeit, in der er sich um Vorsitz der Bundes-SPD beworben hatte, zielt ganz klar auf die formelle politische Positionsbestimmung eines einzelnen Polizeibeamten – und nicht auf sein konkretes Verhalten in der Ausübung seines Berufs. Insofern muss angenommen werden, dass Schröder genau die von Pistorius beschriebene Haltung in seiner Einlassung in der NOZ gemeint hat. Zur Vervollständigung des Bildes gehört allerdings auch, dass Pistorius sich in späteren Interviews nicht mehr so eindeutig positioniert hat wie in dem damaligen Gespräch mit der „Bild am Sonntag“. Außerdem fiel seine Aussage in eine Zeit, in der in der Konferenz der Innenminister der Länder sehr intensiv über den Umgang mit AfD-nahen Beamten diskutiert wurde – zumal nicht wenige Polizisten, allerdings vorwiegend in den neuen Bundesländern, dieser Partei angehören. Derweil zeigen sich in der niedersächsischen Landespolitik gegenwärtig keine Tendenzen, den Sinn und Zweck einer routinemäßigen Überprüfung der Beamten und der Beamtenanwärter auf ihre Verfassungstreue zu hinterfragen. Der „Radikalenerlass“ der siebziger und achtziger Jahre sah vor, die Mitglieder bestimmter Parteien und Organisationen (etwa DKP, K-Gruppen und NPD) auf ihre Verfassungstreue hin zu checken. Zwar hat es vor wenigen Jahren eine Aufarbeitung der damaligen Überprüfungen (und vieler Fehlentscheidungen der Behörden) gegeben, und im Etat für 2020 stellt das Land auch Geld für die weitere Vertiefung bereit. Allerdings schließt das nicht die Analyse der Frage ein, ob nicht das Misstrauen gegen Organisationen wie die DKP vielleicht doch mehr als berechtigt gewesen ist. Jüngst hatte der Rundblick darüber berichtet, dass es eine militärische Kampforganisation innerhalb der Partei gab, in der auch ein niedersächsisches Mitglied mitwirkte – und die sich gegen den Bestand der Bundesrepublik richteten.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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