Konservatismus: Experten werben für mehr Bekennermut
Der Begriff „konservativ“ habe in der Öffentlichkeit nicht unbedingt den besten Klang, sagt die hannoversche CDU-Landtagsabgeordnete Mareike Wulf. Auch sie, die in Oldenburg aufgewachsen ist und als Kind begeistert die Nationalhymne auswendig gelernt hat, bezeichnet sich als „konservativ“, allerdings nicht uneingeschränkt. „Gesellschaftspolitisch bin ich eher eine Liberale“, meint sie und erwähnt die Toleranz gegenüber der Vielfalt der Lebensformen und Kulturen.
Viele Menschen, die nicht viel über Konservatismus wüssten, ließen sich von den Schattenseiten dieser Strömung abschrecken: Konservative seien es gewesen, die für die Privilegien des Adels und für die Ständegesellschaft gekämpft hätten – gegen die bürgerlichen Revolutionäre etwa in Frankreich 1789. Konservative seien es auch gewesen, die in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland mit den Nazis kooperierten und irrtümlich glaubten, sie könnten diese „einhegen“.
Ist der Ruf der Konservativen also zu Recht so bescheiden – oder ist das eher das Resultat einer von den Linken geprägten öffentlichen Diskussion? Das Hannover-Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) nutzte seinen Jahresauftakt zur Vertiefung der Frage. Unter der Gesprächsleitung von Rundblick-Chefredakteur Martin Brüning traten zwei überzeugte Konservative auf, die Passauer Politikwissenschaftlerin Prof. Barbara Zehnpfennig und der Leiter des sächsischen KAS-Büros, Joachim Klose.
Dazu kam Wulf, die offen bekannte, nicht alle konservative Strömungen zu teilen. Als sie entschieden habe, sich politisch zu engagieren, sei es zunächst um den Umweltschutz gegangen. In Kindheitstagen sei ihr die deutsche Einheit nahe gegangen, es gehe ihr also immer auch um Patriotismus. Und schließlich liege ihr die Verteidigung des Rechtsstaats am Herzen, die Durchsetzung der gesetzlichen Regeln für jedermann. Darüber hinaus müsse man über konservative Ansichten im Detail reden, denn nicht alles, was aus dieser Ecke komme, finde ihre Unterstützung. Was sei beispielsweise, wenn übertriebenes Ordnungsdenken zu Ausgrenzung und Intoleranz gegenüber Minderheiten führe?
Wir brauchen den Konservatismus als Haltung, damit die Wähler wieder von der AfD weggehen.
Joachim Klose hingegen wehrt sich gegen die Unterscheidung von Struktur- und Wertkonservatismus. Beides sei wichtig. Der Schutz der Vertrautheit der Heimat, der gerade in Ostdeutschland wichtig sei nach den Wirren der 89er Revolution und den aktuellen großen Ängsten vor dem Abgehängtsein, sei für ihn ganz bedeutsam. Man dürfe sich nicht in die rechtsextreme Ecke abschieben lassen. „Wir brauchen den Konservatismus als Haltung, damit die Wähler wieder von der AfD weggehen“, meint er – und kritisiert zugleich, dass die CDU in Sachsen gemeinsam mit Grünen und SPD eine Regierung bildet.
Professorin kritisiert „Wissenschaftsgläubigkeit“
Prof. Zehnpfennig spricht stärker von den Grundeinstellungen: Konservative würden „nicht an dem hängen, was gestern war, sondern an dem, was immer gilt“. Ihnen widerstrebe die Beliebigkeit, die sich bei vielen Linken ausdrücke: Mal kämpften sie für die Gleichberechtigung der Frau, doch später dann, wenn sie die kulturelle Vielfalt forderten, wollten sie von der Unterdrückung der Frau im Islamismus nichts mehr wissen.
Konservative wendeten sich gegen die verbreitete „Wissenschaftsgläubigkeit“, die Lehrmeinungen der Universitäten nicht hinterfrage, und auch gegen die Gleichmacherei: Wenn man Grenzen auflöse, zwischen Geschlechtern, Räumen und Hierarchien etwa der Bildungseinrichtungen, dann werde alles irgendwann beliebig: „Wenn aber alles gleichwertig ist, dann ist es auch gleichgültig – und viele junge Menschen, die links sind, erlebe ich als orientierungslos“, meint die Professorin. Die Attraktivität linker Ideologien liege aber wiederum darin, dass man dort „die Schuld immer bei den anderen“ suche und irgendeinen Außenstehenden verantwortlich spreche. Das hätten sie mit extrem rechten Ideologien gemein. (kw)