Niedersachsen will die Apotheken im Land vor dem Online-Versandhandel aus dem Ausland schützen. Deshalb will das Land morgen im Bundesrat einem Antrag Bayerns zustimmen, der vorsieht, den Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten. Es gehe dabei vor allem darum, die Apotheken auf dem Land zu erhalten, sagte Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt dem Rundblick. Hintergrund ist eine Entscheidung, die der Europäischen Gerichtshof Mitte Oktober getroffen hat. Demnach müssten sich ausländische Versandapotheken nicht an die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneien halten. Sie könnten im Gegensatz zu den deutschen Apotheken vor Ort den Kunden Preisnachlässe oder Boni gewähren. Dem wollen Bayern und Niedersachsen mit dem Verbot einen Riegel vorschieben. Ob der Antrag eine Mehrheit im Bundesrat bekommt, ist allerdings noch nicht sicher.

In dem Bundesratsantrag ist von einer „konkreten Gefährdungslage für die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch öffentliche Apotheken“ die Rede. Deshalb seien sofortige Gegenmaßnahmen erforderlich. Ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erscheine hierfür nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich. Unterstützung kommt auch aus den Fraktionen von SPD und Grünen im niedersächsischen Landtag. „Ich bin entsetzt über dieses EuGH-Urteil, weil es in der Konsequenz dazu führt, dass wir im ländlichen Bereich gar keine Apotheken mehr hätten. Die sind dann nicht mehr wettbewerbsfähig“, sagt SPD-Sozialexperte Uwe Schwarz im Gespräch mit dem Rundblick. Das Urteil führe zu einem Vorteil für die Internet-Apotheke, ohne dass sich die niedergelassene Apotheke wirklich dagegen wehren könne. Darüber hinaus fehle es beim Online-Versandhandel auch an Beratung, zum Beispiel, wenn es um Wechselwirkungen durch Medikamente geht. „Arzneimittel sind ein hochsensibler Bereich. Es geht um Sicherheit für Menschen, die ernsthaft krank sind.“ Auch der Grünen-Gesundheitspolitiker Thomas Schremmer meint, eine Onlineberatung könne nicht so intensiv sein wir eine persönliche Beratung. Allerdings müsse über die Preisgestaltung der Medikamente einmal diskutiert werden. „Sinnvoll kann eine Harmonisierung auf EU-Ebene sein. Wenn man in anderen EU-Ländern dasselbe Medikament für ein Zehntel des deutschen Preises bekommt, kann das niemand verstehen.“

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In der SPD-Bundestagsfraktion gibt es derweil nicht wenige , die den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten ermöglichen wollen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnt in einem Brief an die SPD-Abgeordneten davor, „reflexartig den Forderungen der Apotheker nachzukommen“. Man müsse die Interessen der Patienten und Versicherten in den Vordergrund stellen. Die Möglichkeit, Nachlässe und Boni auf verschreibungspflichtige Medikamente zu erhalten, sei gerade für chronisch Kranke mit geringem Einkommen eine interessante Sparmöglichkeit. „Vor allem in strukturschwachen, ländlichen Regionen ermöglicht der Versandhandel mit Medikamenten eine alternative Vertriebsform gerade für in ihrer Mobilität eingeschränkte Patientinnen und Patienten“, heißt es in dem Scheiben. Die Apotheken seien auch nicht wie behauptet in ihrem Bestand bedroht. Sie hätten im Durchschnitt in den vergangenen Jahren pro Jahr 100.000 Euro mehr Umsatz gemacht. Der Umsatz einer Apotheke liegt derzeit im Durchschnitt bei 2,4 Millionen Euro pro Jahr.

Die Apothekerverbände laufen seit dem EuGH-Urteil Sturm. Sie haben ihre Lobby-Aktivitäten auch in den Ländern massiv hochgefahren. Im niedersächsischen Sozialministerium wurde umgehend ein Termin vereinbart, auch zu Abgeordneten der Regierungskoalition wurde sofort der Kontakt gesucht. Inzwischen wird sogar mit den rund 7,5 Millionen erwachsene funktionalen Analphabeten in Deutschland argumentiert. Funktionale Analphabeten sind Menschen, die zwar Buchstaben erkennen und auch ihren Namen und ein paar Wörter schreiben können, allerdings den Sinn eines längeren Textes entweder gar nicht oder nur mit Mühe verstehen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände meint, auch sie bräuchten eine persönliche Beratung in der wohnortnahen Apotheke.

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