Konjunkturflaute sorgt vor allem in Niedersachsen für Kurzarbeit
Die Zahlen sind alarmierend. In Niedersachsen gehen immer mehr Mitarbeiter in Kurzarbeit. Seit Mai hat sich die Zahl der Kurzarbeiter im Land nahezu verdoppelt, sie lag im August bei knapp 6800. Damit wurden im August im bundesweiten Vergleich 13,5 Prozent der Kurzarbeiter in Niedersachsen verzeichnet. Auch bundesweit steigt die Zahl an, allerdings in den anderen Ländern nicht so deutlich wie in Niedersachsen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Christian Dürr hervor, die dem Politikjournal Rundblick vorliegt.
Die aktuellen Daten sprächen dafür, dass die Zahl der Arbeitnehmer „in konjunktureller Kurzarbeit in den nächsten Monaten ansteigen könnte“, heißt es in der Antwort. Im Juli waren im Vergleich zum Vormonat neben einem deutlichen Anstieg in Niedersachsen nur leicht höhere Zahlen in Sachsen-Anhalt und Bayern zu verzeichnen. Niedersachsen ist Autoland, und das ist in der aktuellen Situation kein Vorteil. Hier scheint sich die Konjunkturflaute derzeit besonders bemerkbar zu machen, betroffen sind vor allem größere Industriebetriebe, der Fokus liegt auf automobilnahen Branchen.
„Deutschland steht am Rande der Rezession und das äußert sich auch bei uns in Niedersachsen“, sagt der FDP-Abgeordnete Christian Dürr dem Rundblick. Seiner Meinung nach sollte sich die Große Koalition im Land gegenüber der Bundesregierung nun schleunigst dafür einsetzen, dass die deutsche Wirtschaft neue Wachstumsimpulse bekommt. „Dazu gehört neben spürbaren Entlastungen auch eine umfassende Unternehmenssteuerreform. In einem ersten Schritt sollte der Soli schon zum 1. Januar 2020 entfallen, um private Haushalte und die mittelständische Wirtschaft zu entlasten“, meint Dürr.
Wirtschaft prognostiziert „kritisches Winterhalbjahr“
Für Panik ist es offenbar noch ein wenig zu früh. Im langjährigen Vergleich liege die Zahl der Kurzarbeiter noch auf einem niedrigen Niveau, heißt es seitens der Bundesregierung und auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hält das Ausmaß „gesamtwirtschaftlich noch für überschaubar“, vor allem, wenn man es mit der Situation im Krisenjahr 2009 vergleiche.
Die besondere Betroffenheit Niedersachsens lässt sich Althusmann zufolge aktuell damit erklären, dass es eine besondere Abhängigkeit von der Automobil- und ihrer Zulieferindustrie gebe. „Hier kommen gleich zwei Faktoren zusammen: einerseits die konjunkturell bedingt sinkende Nachfrage, andererseits der Strukturwandel – die Umstellung auf neue Antriebe“, sagte Althusmann dem Rundblick. Das Entscheidende sei, dass die Beschäftigten nicht entlassen würden. „Kurzarbeit ist immer noch das Mittel der Wahl, wenn Unternehmen trotz wirtschaftlich schwieriger Rahmenbedingungen ihre Fachkräfte halten wollen.“
Lesen Sie auch:
Forscher grübeln: Bedeutet Digitalisierung das Ende des klassischen Facharbeiters?
Beim Verband Niedersachsenmetall sieht man die Wirtschaft vor einem „kritischen Winterhalbjahr“. Bereits im September hatte eine Umfrage des Verbands unter 500 Unternehmen ergeben, dass jeder vierte Betrieb bereits Kurzarbeit einsetzt oder zumindest darüber nachdenkt, das Instrument im nächsten Halbjahr einzusetzen. Auch zu einer Informationsveranstaltung in Hannover zum Thema Kurzarbeit seien außergewöhnlich viele Teilnehmer erschienen, ein weiteres düsteres Vorzeichen für die nächsten Monate. Niedersachsenmetall-Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt spricht mit Blick auf das Jahr 2020 von „außerordentlich unsicheren Perspektiven“.
https://soundcloud.com/user-385595761/habeck-will-hartz-iv-sanktionen-abschaffen
Die Politik sieht er in der Verantwortung, den Arbeitsmarkt für stürmische Zeiten zu rüsten. Dazu zählt für Schmidt, dass die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate ausgeweitet und die Sozialversicherungsbeiträge erstattet werden sollten. Kopfschmerzen bereitet den Unternehmern ein Plan aus dem Bundesarbeitsministerium, wonach Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld von einem Qualifizierungsplan der Betriebsparteien abhängig gemacht werden sollen. Gerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten bräuchten die Unternehmen aber Flexibilität, meint Schmidt. „Temporäre Kriseninstrumente und Maßnahmen zur Förderung des Strukturwandels sollten strikt getrennt werden.“