6. Apr. 2016 · 
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Kommentar: Subtiler Wahlkampf?

(rb) Seit 35 Jahren mischt Dr. Irmtraud Kannen in der Kommunalpolitik des Landkreises Cloppenburg munter mit – zuerst im Rat der Stadt Cloppenburg, später auch im Kreistag. In dem von der CDU dominierten Gremium führt sie die drei Mitglieder starke Grünen-Fraktion an. Die Lehrerin hat sich in vielen Jahren an lokalen Schwerpunktthemen abgearbeitet. Immer wieder rückt sie dabei Konflikte rund um die Landwirtschaft in den Mittelpunkt. Die intensive Landwirtschaft in der südoldenburgischen Region ist ihr schon lange ein Dorn im Auge. Doch jetzt hat die streitbare Grüne in West-Niedersachsen den Mund wohl etwas zu voll genommen. Am Ende könnten ihr sogar Strafverfolgung und Beugehaft drohen. Am 17. Dezember 2015 erklärte Kannen in ihrer Rede zum Haushalt 2016 vor dem Kreistag folgendes: „Wir wurden mit Vorwürfen konfrontiert, dass es bei der Genehmigung von Ställen nicht mit rechten Dingen zugeht. Leider wurden wir inständig gebeten, Name und Ort nicht öffentlich zu nennen. Bei Nachfragen und gemeinsamen Durchgehen der Genehmigungsakten sind uns tatsächlich Merkwürdigkeiten aufgefallen, wie z.B. die wundersame Veränderung von Belastungen zugunsten eines Investors von Stallneubauten. Bauern waren nicht von ihrer Überzeugung abzubringen, dass Genehmigungen leichter zu erhalten sind, wenn zwischen den Unterlagen Geldscheine liegen würden. Persönlich kann ich mir Korruption bei uns im Landkreis nicht vorstellen. Aber allein der Verdacht ist schon schlimm genug.“ Damit erreichte die Kreistagsabgeordnete breite öffentliche Aufmerksamkeit. Der Vorwurf der Bestechlichkeit von Mitarbeitern des Cloppenburger Bauamtes bei der Genehmigung von Stallbauten wurde zum großen Thema in den Lokalzeitungen. Auch der Rundfunk berichtete. Der Landkreis erstattete Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Bestechlichkeit. Die Osnabrücker Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Der Cloppenburger Landrat Johann Wimberg unterstellte Kannen ein „unsauberes politisches Geschäft.“ Er verlangte von ihr, „Ross und Reiter“ zu nennen, die Quelle ihrer Behauptungen öffentlich zu machen. Die Grüne lehnte ab und verwies auf den Quellenschutz. Ihren Informanten drohe Ungemach, würden sie sich öffentlich zu den Vorwürfen bekennen. Deshalb steht jetzt seit dreieinhalb Monaten der unbestätigte Vorwurf im Raum, Landwirte aus der Region Cloppenburg würden Mitarbeiter des kreiseigenen Bauamtes bestechen, um schneller und unbürokratischer an Baugenehmigungen für Ställe zu kommen. Bereits zehn Tage nach ihrer öffentlichen Rede vor dem Kreistag wurde Kannen von der örtlichen Kriminalpolizei vernommen. Auch bei diesem Gespräch blieb sie bei ihrer Darstellung, legte jedoch keine Beweise vor. Bei einer richterlichen Vernehmung im März bestätigte sie ihre Angaben aus der Haushaltsrede, verweigerte jedoch weiterhin Informationen zu ihrer Quelle. Selbst die richterliche Androhung von Zwangsgeldern und Beugehaft bewegten Kannen nicht zum Einlenken. Mittlerweile gibt sich die Cloppenburger Fraktionsvorsitzende der Grünen arglos. Sie habe gar nicht gewollt, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnehme, erklärte sie öffentlich. Sie habe lediglich bei der Kreisverwaltung für mehr Sensibilität im Umgang mit dem Thema Korruption werben wollen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: In fünfeinhalb Monaten finden auch im Kreis Cloppenburg Kommunalwahlen statt. Da macht es sich möglicherweise gut für die Grü-nen, sich noch einmal öffentlich lautstark und kritisch gegen die Landwirtschaft zu positionieren. Kannen hat jetzt noch einmal nachgelegt. Sie habe inzwischen Anrufe von Landwirten erhalten, die ihre Angaben vom Dezember bestätigen würden, erklärte sie am Montag öffentlich. Diese könnten Schmiergeldzahlungen im Bauamt belegen. Jedoch wolle keiner der Bauern seine Behauptungen bezeugen. Während sich Mitglieder des Bundestags oder von Landtagen sowie Journalisten aus Gründen des Quellenschutzes auf ein gesetzlich eingeräumtes Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, trifft das für Kreistagsabgeordnete nicht zu. Kannen muss also mit der vollen Härte und den Folgen des Gesetzes rechnen, wenn sie den Strafverfolgungsbehörden weiterhin den Zugang zu ihren Quellen verweigert. Subtiler kann Wahlkampf nicht sein. stu
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #66.
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