Der Fachkräftemangel wird auch dort spürbar, wo man ihn normalerweise nicht vorrangig erwartet – in den Behörden und Gerichten. Der Präsident des Landgerichts Hannover, Ralph Guise-Rübe, kann ein Lied davon singen. Die „elektronische Akte“ (E-Akte) ist eingeführt worden, und dies führt nun dazu, dass eine nicht unerhebliche Mehrarbeit von geschätzten zehn bis 20 Prozent bei Kollegen des mittleren Dienstes entsteht. Es geht unter anderem um die Übertragung von analogen auf digitale Dokumente. Diese Mehrarbeit sei nicht vorübergehend, da mit dem neuen System generell ein höherer Arbeitsaufwand einhergehe – und der Personalstamm im Landgericht nicht weiter wachse. Mehrere Teilzeitkräfte hat Guise-Rübe schon danach befragt, ob sie ihre Verträge nicht aufstocken wollen. Doch das Resultat war negativ.
Vorstoß des Landgerichts wird vom OLG abgelehnt
Daher hatte der Landgerichtspräsident die Idee, sich an diejenigen Mitarbeiter zu wenden, die jetzt bereits die E-Akten betreuen und darin Routinen entwickelt haben. Man könne doch eine „schnelle Eingreiftruppe“ bilden aus Beschäftigten, die sich zusätzlich ein paar Euro hinzuverdienen wollen. Diese könnten dann in den Bereichen eingesetzt werden, in denen der Nachholbedarf besonders groß ist. Der Vorteil sei, dass diese Leute sich in der Materie auskennen, nicht speziell eingearbeitet werden müssen und die bisherigen Vorzüge (flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Möglichkeit) weiter beanspruchen können. Guise-Rübe soll bei einer ersten Abfrage erfahren haben, dass sieben Mitarbeiter des „mittleren Dienstes“ dazu bereit wären. Er wandte sich mit einer entsprechenden Bitte an das Oberlandesgericht Celle als Aufsichtsbehörde. Doch von dort kam nun eine klare Absage.

Wie der Sprecher des OLG Celle auf Anfrage des Politikjournals Rundblick erklärte, sei der Vorschlag von Guise-Rübe „nach rechtlicher Prüfung und eingehender mündlicher Erörterung mit dem Landgericht abgelehnt worden“. So sei nach Sozialversicherungsrecht die Beschäftigung im Nebenamt mit den gleichen Aufgaben wie im Hauptamt „unzulässig“. Allerdings hatte das Landgericht ja auch vorgeschlagen, dass man bezahlte Mehrarbeit anordnen könnte. Das OLG verweist grundsätzlich auf „die Fürsorgepflicht für die Mitarbeiter“, die „vor einer Überlastung durch mehrere Arbeitsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber geschützt“ werden müssten. Das gelte auch für Tarifbeschäftigte, bei denen auf die Einhaltung der Arbeitszeithöchstgrenzen und des Tarifvertrages geachtet werden müsse. Dann weist das OLG noch darauf hin, dass es fortlaufend gelinge, alle Ausbildungsstellen in der Justiz zu besetzen und die Nachwuchskräfte auch zu verbeamten. Das OLG habe dem Landgericht die Freigabe für die Einstellung weiterer Tarifbeschäftigter erteilt – und Teilzeitkräfte könnten jederzeit ihre Verträge aufstocken. Bei „Belastungsspitzen“ könne das OLG auch beim Landgericht aushelfen.

Nun hatte Guise-Rübe allerdings die Lage etwas anders beschrieben. Die Arbeitszeitgrenzen würden nicht gebrochen, da der zulässige Umfang von Nebentätigkeiten nicht überschritten werden soll. Viele Mitarbeiter seien ohnehin auf der Suche nach Nebenjobs – und dann sei es doch besser, sie würden diese gleich an ihrem Arbeitsplatz erledigen können. Beamte könnten Nebentätigkeiten auch bei ihrem Arbeitgeber erledigen, da sie nicht sozialversicherungspflichtig seien. Insofern gebe es bei der Beurteilung der rechtlich erlaubten Wege Unterschiede in der Bewertung zwischen dem Landgericht und dem Oberlandesgericht. Außerdem sei die Bewerberlage so schlecht, dass die vom OLG angesprochene Suche nach anderen Kräften für die Aufgaben vermutlich ohne Ergebnis bleibe. Zur Arbeitsbelastung in der Justiz dürfte sich heute auch OLG-Präsidentin Stefanie Otte in der Sitzung des Landtags-Rechtsausschusses äußern.


