Justiz erwartet Klageflut beim Landgericht Braunschweig
Das Justizministerium erwartet eine regelrechte Klageflut vor dem Landgericht Braunschweig wegen des VW-Abgasskandals. Bisher haben 250 Personen oder Institutionen geklagt, weil sie sich als VW-Aktionäre wegen der Affäre vom Konzern hinters Licht geführt sehen. Hinzu kommen noch 10.000 Klagen auf Schadenersatz – meistens von Autobesitzern, die meinen, dass ihnen ein minderwertiges Fahrzeug verkauft worden sei. Wie Staatssekretärin Stefanie Otte nach Angaben von Teilnehmern gestern im vertraulichen Teil der Landtags-Rechtsausschusssitzung erläuterte, könnten aus den 250 Anleger-Klagen in der nächsten Zeit bis zu 1000 werden. Die Schadenersatz-Klagen könnten sogar innerhalb des nächsten Jahres um das Zehnfache steigen auf bis zu 100.000. Es wird offenbar damit gerechnet, dass eine Versicherung als Prozessfinanzierer auftritt, viele Klagen bündelt und dann mit geballter Macht vor dem Landgericht Braunschweig erscheint.
Im Fall der Kapitalanleger-Klagen wird das Gericht klären müssen, ob der VW-Konzern in Geschäftsberichten wider besseres Wissen falsche Angaben gemacht hat. Die Frage ist auch, ob Ad-hoc-Mitteilungen versäumt wurden, nachdem die VW-Spitze Kenntnis von den Manipulationen hatte und wissen oder ahnen musste, dass sich der Skandal negativ auf den Aktienkurs auswirken wird. Bei den Schadenersatz-Prozessen der Autobesitzer spielt die Frage eine Rolle, wie lange die VW-Spitze von den Manipulationen wusste, bevor der Fall öffentlich wurde.
Wie es heißt, würde allein die Abarbeitung von 10.000 Schadenersatz-Klagen rund drei Jahre dauern. Wenn das Zehnfache der Menge behandelt werden muss, ist eine Personalverstärkung unverzichtbar. Neun zusätzliche Verwaltungsmitarbeiter sind bereits eingestellt worden, um die Klagen zu sichten und zu sortieren. Mittlerweile wird geplant, dass fünf oder sechs zusätzliche Strafrichter das Landgericht und das Oberlandesgericht in Braunschweig verstärken sollen. Dies könne zunächst über Abordnungen aus anderen Gerichten geschehen, die Nachbesetzung freiwerdender Stellen mit jungen Richtern soll dann möglich werden. Über die Bildung sogenannter „Cluster“ wird diskutiert – das wäre eine Möglichkeit, mehrere ähnliche Klagen zusammenzufassen und gemeinsam zu verhandeln. Dieser Weg könnte die Prozesse wesentlich beschleunigen.