
Zugang zum Außenklima stellt die größte Herausforderung dar
Um zu diesen möglichst ausgewogenen Erkenntnissen zu kommen, haben sich die Wissenschaftler einer Methode aus der Stadtplanung bedient. Mit einer sogenannten Zukunftswerkstatt haben sie ganz verschiedene Menschen zusammengebracht, um über die Nutztierhaltung zu reden. Dabei ging es vor allem darum, dass die Personen sich als Betroffene verstehen. Demgegenüber stand ein Technik-Team mit professionellen Stallbauern. In ständigem Wechsel haben sich im Verlauf des Projektes die Technik- und die Laien-Gruppe immer wieder abgestimmt. Am Ende kam dann ein Entwurf heraus, den die Wissenschaftler mit Methoden der Marktforschung abgetestet haben. Was kommt gut an in der Bevölkerung? Ganz hoch im Kurs stand dabei ein offen gestalteter Stall. So sollen die Tiere einen Zugang zum Außenklima bekommen. Darin liegt aber auch eine der größten Herausforderung für den Stallbau der Zukunft. Die Tiere sollen zwar raus, aber das dürfe man sich nicht so vorstellen, dass sie auf eine grüne Wiese kommen, erklärt von Meyer-Höfer. „In den Schweinehochburgen in Niedersachsen wird das nie so sein.“ Dafür gebe es zu wenig Raum und zu strenge Vorgaben. Denn auch die Politik verhindert, dass die Tiere nach draußen kommen. Verbringen die Tiere Zeit unter freiem Himmel, schaden sie nämlich der Umwelt und die Umwelt schadet ihnen: durch unkontrollierte Emissionen und durch fehlende Tierhygiene. Hier bestehe also ein politischer Zielkonflikt, sagt von Meyer-Höfer. „Wir müssen uns fragen: Wie viel ist uns Tierwohl wert im Vergleich zu Klimaschutz und Hygiene?“ Im Bundeslandwirtschaftsministerium formulierten die Wissenschaftler eine klare Forderung an die Politik: Vereinfacht die Genehmigungen für den Außenluftzugang von Schweinen.
Wir werden nicht alle Probleme der Schweinehaltung mit dem Bau eines neuen Stalls beheben können.
Der offen gestaltete Stall soll aber nicht nur den Tieren Zugang zur Außenwelt ermöglichen. Die Außenwelt soll auch einen Einblick in die Produktionsabläufe in der Nutztierhaltung bekommen. Die Wissenschaftler wollen den Stall nicht nur als Produktionsstätte verstanden wissen. In ihren Augen muss der Stall selbst zum Kommunikationsmedium werden. „Wir werden nicht alle Probleme der Schweinehaltung mit dem Bau eines neuen Stalls beheben können“, stellt von Meyer-Höfer fest. Was ihr wichtig ist, ist dass der Diskurs über den richtigen Umgang mit Nutztieren am Laufen bleibt. Die Studienergebnisse sieht sie als einen Beitrag dazu. „Es ist ganz wichtig, dass wir rauskommen aus der Frontendiskussion.“
Die neuen Stallkonzepte können nur ein Anstoß sein für eine weiterhin kontroverse Diskussion über die Nutztierhaltung. Denn eine Frage können auch die Wissenschaftler aus Göttingen noch nicht beantworten: Wer soll das bezahlen? Nach ersten ökonomischen Betrachtungen gehen sie von Mehrkosten deutlich über 30 Euro pro Mastschwein aus. Die Baukosten sind dabei noch gar nicht bedacht. An dieser Stelle, sagt Marie von Meyer-Höfer, seien dann die Politik und schließlich auch der Markt gefragt.