Gefälschte Pässe sammelt die Bundespolizei praktisch jede Woche ein. Und auch gefälschte Aufenthaltstitel fliegen bei den Kontrollen der deutschen Ordnungshüter immer mal wieder auf. Die illegale Ausstellung von Aufenthaltstiteln durch korrupte Behördenmitarbeiter kommt dagegen fast nie ans Licht, obwohl bundesweit mehr als sechs Millionen Menschen mit einer befristeten oder unbefristeten Erlaubnis in Deutschland leben. Umso bemerkenswerter ist daher ein aktueller Fall aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg, wo die Staatsanwaltschaft Verden wegen „Unregelmäßigkeiten bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln“ acht Verdächtige im Visier hat – darunter auch einen Angestellten des Landkreises.

„Bei dem Mitarbeiter des Landkreises handelt es sich um einen Sachbearbeiter in der für die Bearbeitung der Anliegen zuständigen Organisationseinheit“, sagt Staatsanwalt Martin Schanz auf Rundblick-Anfrage. Der Tatverdacht ist immerhin so konkret, dass Polizei und Staatsanwaltschaft am 9. Mai nicht nur diverse Objekte im Landkreis Lüchow-Dannenberg durchsuchten, sondern auch Büroräume der Kreisverwaltung ins Visier nahmen. „Es wird in dem Zusammenhang wegen des Verdachts der Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt“, sagt Schanz.
Im Kern der Ermittlungen steht ein 30 Jahre alter Mann, gegen den wegen des Vorwurfs der Bestechung auf Antrag der Staatsanwaltschaft Verden vom zuständigen Ermittlungsrichter Untersuchungshaft angeordnet wurde. „Er soll als Vermittler fungiert und in mehreren Fällen Antragsteller gegen Geldzahlung an den Mitarbeiter des Landkreises weitergeleitet haben. Dieser soll dann an den Zahlungen beteiligt worden sein“, berichtet der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Bei den anderen sechs Beschuldigten handele es sich um Antragsteller. Wie viele unrechtmäßige Aufenthaltstitel ausgestellt wurden und welche Geldsummen dabei geflossen sind, ist laut Schanz derzeit noch Gegenstand der Ermittlungen. Die Elbe-Jeetzel-Zeitung will erfahren haben, dass es teilweise um hohe vierstellige Beträge gegangen sei.

Die Kreisverwaltung von Lüchow-Dannenberg ist nach eigenen Angaben bereits vor mehreren Wochen in das Ermittlungsverfahren eingebunden worden. Zuständig ist die Staatsanwaltschaft Verden, die niedersächsische Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen. Die Behörde wird erst seit Ende April von Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer (52) geleitet, der zuletzt als stellvertretender Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Hannover tätig war.
„Der Landkreis unterstützt die Untersuchungen umfänglich und hofft auf eine baldige Klärung. Entsprechend den Ergebnissen wird der Landkreis gegebenenfalls angemessene Konsequenzen ziehen“, sagt Landkreis-Sprecher Dirk Drazewski gegenüber dem Politikjournal Rundblick. Es handele sich um das erste Ermittlungsverfahren gegen die Ausländerbehörde in Lüchow überhaupt, allerdings beziehe sich das jetzige Verfahren auf einen bereits schon länger zurückliegenden Zeitraum. Der unter Verdacht stehende Sachbearbeiter sei bis auf weiteres von der Arbeit freigestellt worden.
Der Fall in Lüchow weckt Erinnerungen an den sogenannten „BAMF-Skandal“ von 2018. In der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sollte es damals zur massenhaften Ausstellung von unrechtmäßigen Aufenthaltstiteln gekommen sein. Von den zunächst berichteten 3332 Verdachtsfällen landeten am Ende aber gerade mal 22 Fälle vorm Landgericht Bremen, wo der Prozess gegen die ehemalige Außenstellenleiterin schließlich eingestellt wurde. Seit diesem spektakulären Fehlschlag gelangten Korruptionsvorwürfe gegen Ausländerbehörden nur noch selten in den Blick der Öffentlichkeit.
So hatte etwa im Mai 2022 der ehemalige Fachgruppenleiter der Ausländerbehörde Nordfriesland (Schleswig-Holstein) vor Gericht zugegeben, dass er im großen Stil mit Aufenthaltszertifikaten für Ausländer gehandelt habe, weil er in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. Und im November 2022 durchsuchten Zoll und Landeskriminalamt das Rathaus von Cottbus sowie das Landratsamt im Kreis Spree-Neiße (beides Brandenburg). Ein Bauunternehmer steht im Verdacht, Mitarbeiter dort bestochen zu haben, um illegale Aufenthaltserlaubnisse und Arbeitsgenehmigungen für Nicht-EU-Ausländer zu bekommen.