11. Juni 2025 · 
PorträtWirtschaft

Heise wagt sich raus aus der Deckung: Wie Johanna Heise das Medienhaus neu positioniert

Angefangen hat alles mit Telefonnummern. Als sich die Heise-Gruppe vor 76 Jahren als "Verlag Heinz Heise" gründete, war die erste Publikation ein Adressbuch. „Das ist das, womit mein Uropa gestartet ist“, sagt Johanna Heise. Heute vereint das Unternehmen unter seinem Dach das IT-Fachmagazin „c’t“, das Online-Portal „Heise Online“, mehrere Preisvergleichsdienste („Geizhals“, „günstiger.de“), mit „Heise Regioconcept“ eine Marketing-Sparte für kleine und mittlere Unternehmen und neuerdings auch eine Startup-Einheit. Die Botschaft, die Johanna Heise dabei aussendet, ist ebenso klar wie selbstbewusst: „Wir sind bereit, uns von unserer Hidden-Champion-Position zu lösen und unsere Bekanntheit zu steigern.“

Johanna Heise spricht beim 75-jährigen Firmenjubiläum. Neben ihr steht ihr Vater Ansgar Heise. | Foto: Tobi Giessen

Johanna Heise (26) repräsentiert die vierte Generation des Hauses – gemeinsam mit ihren beiden jüngeren Schwestern Luise und Charlotte, mit denen sie seit 2023 zum Gesellschafterkreis gehört. Luise absolviert momentan ein BWL-Studium, Charlotte hat während eines mehrmonatigen Praktikums im Familienunternehmen erste Einblicke gewonnen und beginnt im Herbst ein Architekturstudium. Johanna selbst hat einen Master in Management, ist als „Head of Brand & Culture“ nicht nur verantwortlich für das neue Erscheinungsbild der Dachmarke, sondern auch CEO der Innovationsplattform „Heise Ventures“. „Das macht mir große Freude. Ich darf viel ausprobieren und auch immer mehr Verantwortung übernehmen“, sagt sie. Als geschäftsführender Gesellschafter bleibt zwar weiterhin ihr Vater Ansgar Heise der Kopf der Unternehmensgruppe. Bei öffentlichen Auftritten wirkt er aber inzwischen wie ein Mentor, der seiner Tochter bewusst den Raum gibt, das Unternehmen in eine neue Zeit zu führen – ohne dabei das traditionelle Kerngeschäft aus den Augen zu verlieren.

Eine der sichtbarsten Veränderungen ist das Sponsoring von Hannover 96. Zum 75-jährigen Jubiläum des Unternehmens stieg Heise 2024 als Hauptsponsor beim Fußball-Zweitligisten ein. Ein mutiger Schritt – zumal sich der Vorgängersponsor Brainhouse daran finanziell verhoben hatte. Für das Medienhaus läuft es bislang erfolgreich. „Ich bin so froh, dass wir diesen Schritt als Heise gegangen sind – und wir freuen uns jetzt schon auf die nächste Saison“, lautet Johanna Heises Zwischenbilanz. Es sei ein Jahr „voller Emotionen, Verbindungen und unvergesslicher Momente“ gewesen. Kürzlich habe ihr eine Freundin ein Foto aus New York geschickt – mit einem Mann im 96-Trikot mit Heise-Logo. „Wenn ich das sehe, bin ich sehr stolz.“ Sie selbst besitzt ein Trikot mit dem Namen „Johanna“ und der Rückennummer 96. „Ich mache jeden Tag Sport, ich habe selber auch mal Fußball gespielt, als ich kleiner war“, erzählt sie. Das Team löste sich jedoch bald auf – sie wechselte zum Feldhockey. Heute sind es eher Golf, Tennis, Jogging und Fitnesskurse. Im Fußball-Stadion von Hannover 96 ist sie trotzdem häufig anzutreffen: „Ich bin praktisch bei jedem Heimspiel.“

Stolze Trikotsponsoren: Ansgar und Johanna Heise mit dem damaligen 96-Chef Martin Kind (rechts) vor Beginn der Saison 2024/25. | Foto: Heise

Offenheit gegenüber neuen Technologien und die Bereitschaft, unkonventionelle Wege zu gehen – das gehört bei Heise seit Jahrzehnten zur unternehmerischen Praxis. Das Familienunternehmen hat früh gelernt, technologische Trends nicht nur zu beobachten, sondern auch schnell aufzugreifen. Sei es, weil es der logische Schritt ist, oder auch weil es sich einfach richtig anfühlt. „Typisch für ein Familienunternehmen haben wir viele Entscheidungen auch aus dem Bauch heraus getroffen“, sagt sie. Die jüngste Erfolgsstory dieser Art: Die Redaktion der „c’t“ begleitet das Thema Künstliche Intelligenz (KI) seit dem Start von ChatGPT mit wachsender Intensität und hat sich hier einen absoluten Expertenstatus erarbeitet. Inzwischen gibt es bereits mehrere Sonderhefte ausschließlich zu Sprachmodellen, dazu Fachveranstaltungen, Panels und praxisnahe Berichte.

Intern hilft das hauseigene KI-Tool „heise I/O“ beim Erstellen von Übersichten und Textbausteinen. „Wir sehen KI als ein Werkzeug, das unsere Mitarbeitenden dabei unterstützt, ihre Aufgaben umzusetzen“, sagt Heise. Klar ist für sie aber auch: „Man muss genau gucken, wofür man KI einsetzt, das Ergebnis überprüfen und immer den Kern der Marke erhalten. Wir haben uns letztes Jahr auf drei Werte geeinigt: zukunftsorientiert, zuverlässig und unabhängig.“ Falsche Fakten durch eine halluzinierende KI passen überhaupt nicht zum Selbstverständnis. „Wir sind der IT-Fachverlag“, sagt die Familienunternehmerin und betont das „der“. Zudem verweist sie auf den Claim „Eine Antwort weiter“. Das könne KI gar nicht leisten, denn um Trends und relevante Themen zu recherchieren und kritisch aufzuarbeiten, seien immer noch qualifizierte Redakteure nötig. Johanna Heise selbst nutzt KI eher punktuell – etwa für Präsentationen oder zur Recherche mit ChatGPT 4.0. Auch die firmeninterne „Heise KI Social App“ kommt zum Einsatz, etwa für LinkedIn-Beiträge. Die Anwendung richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen und soll beim professionellen Auftritt in sozialen Netzwerken helfen. 

Dass das auch im Alltag der Belegschaft ankommt, ist Johanna Heise wichtig. Gleich zu Beginn ließ sie die interne Markenarchitektur überarbeiten – samt neuem Logo, Claim und Design. Die Idee: Übersicht schaffen in einem Unternehmen, das durch Zukäufe und Expansion deutlich gewachsen ist. „Wir wollen alle unsere Marken unter einer einheitlichen Identität sichtbar machen“, sagt Heise. Doch es geht ihr nicht nur um ein stimmiges äußeres Erscheinungsbild, sondern um ein gemeinsames Verständnis im Innern – darüber, wofür Heise steht, wie gearbeitet wird und warum sich Engagement lohnt. „Ich wünsche mir, dass die Mitarbeiter bei uns einen Purpose finden.“ Obwohl sie sich dem Thema „New Work“ verschrieben hat, bekennt sich die 26-Jährige ganz klar zum Arbeiten in Präsenz: „Wir schätzen die persönliche Zusammenarbeit und den wertvollen Austausch im Büro. Die gemeinsame Zeit vor Ort stärkt unseren Teamgeist und fördert kreative Ideen. Wir sind in einem so dynamischen Markt unterwegs, dass wir zusammensitzen und gemeinsam agil Lösungen erarbeiten müssen. Ich glaube nicht, dass das nur mit Online-Meetings funktioniert.“ Homeoffice gibt es bei Heise natürlich trotzdem, ebenso wie flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmodelle oder handfeste Benefits wie ein tägliches kostenloses Mittagessen. Viel wichtiger findet Heise aber: „Wir haben eine positive Fehlerkultur und arbeiten dynamisch.“

Mit Johanna Heise, einer studierten Management-Expertin, ist die vierte Generation in das Familienunternehmen eingetreten. Die 26-Jährige ist Head of Brand & Culture und CEO von Heise Ventures. | Foto: Melissa Ramson

Nach außen tritt Johanna Heise immer mehr als Gesicht des Verlags auf. Als Speakerin, Panelgast und Konferenzteilnehmerin ist sie regelmäßig unterwegs – vom Innovationsfestival „SXSW“ in Austin (Texas) über den Familienunternehmerkongress an der Universität Witten/Herdecke bis zur Tech-Trendmesse „Gitex Europe“ in Berlin. Ihre Themen reichen von Unternehmensidentität über Startup-Finanzierung und der Rolle von Medienhäusern in der digitalen Transformation bis hin zum Bereich Frauen in Technologieberufen. „Dafür fahre ich auch gerne mal an den Bodensee oder in den Schwarzwald“, sagt Heise und lacht. Wer ihre LinkedIn-Seite verfolgt, bekommt schnell den Eindruck: Diese Frau ist ständig auf Achse.

Zur Konferenz „Horizons by Heise“, die das Medienhaus 2023 als eigenes Veranstaltungsformat aufgesetzt hat, ist Johanna Heise aber auf jeden Fall in ihrer Geburtsstadt zu finden. In Hannover diskutieren dann wieder Fachleute, Wirtschaft und Politik über Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeitswelt. Mit dabei sind etwa Olaf Lies und Richard David Precht. „Die Themen, die Entscheidern in allen Branchen auf der Seele brennen.“ Die nächste Auflage findet am 1. und 2. September im Alten Rathaus und in der Marktkirche statt – mit einem Side-Event „Women in Tech“, das Johanna Heise besonders am Herzen liegt. „Die Idee ist, dass wir eine Community gründen, damit sich die Frauen gegenseitig unterstützen und sichtbarer machen – und am Ende mehr Frauen für diesen Bereich begeistern.“ Während in den USA und manch anderen Ortes die Diversity-Programme teils zurückgefahren würden, setzt das Familienunternehmen bewusst auf Kontinuität. „Wir machen bei Heise schön weiter.“

Mit zwei Buchverlagen in den USA, einer IT-Gesellschaft in Indien und digitalen Marketinglösungen für KMU in Österreich, der Schweiz und Lettland ist Heise auch international vertreten. Der Fokus liegt aber klar auf Deutschland und insbesondere auf Hannover. „Hier ist unsere Stärke, dennoch behalten wir Entwicklungen darüber hinaus im Blick.“ Ein Umzug des Verlags nach Berlin, München oder Hamburg für mehr Internationalität? „Das könnte ich mir nicht vorstellen. Wir sind schon sehr tief verwurzelt in Hannover. Das ist einfach Heimat.“ Ab September zieht sie nach einem Zwischenspiel in der Bundeshauptstadt selbst wieder zurück nach Hannover, wo der Großteil ihrer Familie lebt. Ob sie sich vorstellen könne, irgendwann nochmal außerhalb des Unternehmens zu arbeiten, um später wieder zurückzukehren? „Darüber habe ich auch schon nachgedacht, doch im Moment ist es für mich unvorstellbar, weil ich intensiv meine Projekte für Heise vorantreiben möchte.“ Trotz der vielen Baustellen, die sie zugleich betreut, wirkt Johanna Heise in ihrer Rolle erstaunlich unangestrengt. „Ich mache das so, wie das für mich passt und wie ich mich wohlfühle.“ Am Ende ist es auch dieser selbstverständliche Umgang mit Gegensätzen, der ihren Stil ausmacht. „Ich arbeite weiter an der Mission, Heise sichtbarer zu machen – und das fühlt sich für mich genau richtig an.“

Dieser Artikel erschien am 11.6.2025 in Ausgabe #107.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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