Havliza verärgert: Bundesregierung ignoriert Bitte um Finanzhilfe für Staatsschutzsenat
Der Plan des Landes, einen neuen Staatsschutzsenat für größere Strafprozesse etwa gegen Islamisten zu bauen, hat einen empfindlichen Dämpfer bekommen. Wie Justizministerin Barbara Havliza (CDU) gestern im Rechtsausschuss des Landtags berichtete, hat die Bundesregierung bisher auf Bitten der Landesregierung, dieses Projekt finanziell zu unterstützen, nicht reagiert.
„Im Mai haben Finanzminister Reinhold Hilbers und ich gemeinsam an Bundesfinanzminister Olaf Scholz und an die damalige Bundesjustizministerin Katarina Barley geschrieben. Bis heute haben wir nicht einmal eine Antwort bekommen. Das amüsiert mich nicht“, sagte Havliza in der Ausschusssitzung. Mit Hilbers habe sie besprochen, dass beide nun zunächst getrennt versuchen wollen, die zuständigen Bundesminister anzusprechen. Hilbers treffe Bundesfinanzminister Olaf Scholz ohnehin häufig, und sie werde Anfang Oktober die neue Bundesjustizministerin Christine Lambrecht aufsuchen und mit ihr das Gespräch darüber suchen. „Falls das keinen Erfolg haben wird, werden Herr Hilbers und ich eben noch mal nach Berlin fahren“, sagte die Ministerin.
Verhandlungsatmosphäre sei „nicht hinnehmbar“
Prozesse mit erhöhtem Sicherheitsaufwand, wie sie gegenwärtig beispielsweise gegen den Islamisten Abu Walaa geführt werden, finden im Gebäude des Oberlandesgerichts Celle in der Altstadt statt. Der entsprechende Saal ist 2010 umgebaut worden. Wie Havilza berichtete, habe dieser Ort aber erhebliche Mängel, die Verhandlungsatmosphäre sei „nicht hinnehmbar“. Neulich musste sie selbst dort als Zeugin aussagen.
Ich war früher Richterin und kann damit umgehen, aber bei anderen Zeugen trägt diese Anordnung nicht zur Steigerung der Wahrhaftigkeit bei.
„30 Zentimeter hinter mir saß der Angeklagte Abu Walaa, 40 Zentimeter rechts von mir der erste Verteidiger. Ich war früher Richterin und kann damit umgehen, aber bei anderen Zeugen trägt diese Anordnung nicht zur Steigerung der Wahrhaftigkeit bei. Es kann passieren, dass manche unter Angst nichts sagen“, berichtete die Ministerin. Der Saal habe zudem nur eine Tür und keine Fenster, ein zentraler Zugang könne schnell versperrt werden.
Nicht nur wegen Islamistenprozessen, sondern auch bei anderen Verhandlungen mit hohem Sicherheitsaufwand werde der Neubau eines Staatsschutzsenats benötigt – „ich denke, wir werden auch mehr Prozesse gegen rechtsextremistische Gewalttäter erleben“, sagte die Ministerin. Sinnvoll sei ein solcher Saal auch für Prozesse bei der Organisierten Kriminalität, bei der Clan- und der Rockerkriminalität.
„Der Bund hat die Aufgabe solche Staatsschutzprozesse an die Länder delegiert, dann sollte er sich auch an den Kosten beteiligen“, betonte die Ministerin. Auf Nachfragen musste sie aber einräumen, dass sich in Stuttgart und München der Bund an den Baukosten solcher Säle nicht beteiligte, wohl aber in Düsseldorf – dort habe der Bund die Hälfte getragen. „Das war aber 2003, kurz nach den Anschlägen in den USA. Damals standen die Zeichen noch anders.“
Thüringen und Sachsen-Anhalt könnten sich an Nutzung beteiligen
Eine Schätzung des staatlichen Baumanagements hat nach Havlizas Worten ergeben, dass der neue Verhandlungssaal 53 Millionen Euro kosten soll. „Ich war erstaunt, als ich das erfuhr“, sagt sie. Geplant ist ein Neubau auf einem Areal in Westercelle, am Rande der Stadt, wo einst das Christliche Jugenddorf untergebracht war. In Stuttgart hatte der Neubau 30 Millionen gekostet.
Derzeit ist ein enormer Einsatz von Polizei- und Sicherheitskräften nötig, sobald in der Altstadt von Celle im Islamistenprozess verhandelt wird.
Der CDU-Landtagsageordnete Thomas Adasch sagte, bei den Investitionskosten müsse man die Entlastung gegenrechnen: „Derzeit ist ein enormer Einsatz von Polizei- und Sicherheitskräften nötig, sobald in der Altstadt von Celle im Islamistenprozess verhandelt wird. Das verursacht ein beklemmendes Gefühl. Dieser Aufwand wird bei einem Neubau auf einem Gelände, das besser abgeschottet ist, wesentlich geringer sein.“
Marco Genthe (FDP) und Helge Limburg (Grüne) erkundigten sich nach dem Plan, dass sich andere Länder womöglich an dem Projekt beteiligen. Havliza sprach von Gesprächen mit Thüringen und Sachsen-Anhalt. Da Niedersachsen aber noch keine Rückmeldung vom Bund habe, seien die Verhandlungen mit Magdeburg und Erfurt noch nicht weit fortgeschritten. Es gehe beiden Ländern auch weniger um eine Baukostenbeteiligung, sondern um die Anmietung des Neubaus für einen Prozess – etwa für 20.000 Euro täglich.
Ulf Prange (SPD) erinnerte daran, dass die Koalition auch den Neubau eines Justizzentrums in Oldenburg vereinbart habe. Die Ministerin sagte, dass hierzu bisher noch keine ersten Kostenschätzungen vorliegen. „Das staatliche Baumanagement ist derzeit auch besonders stark gefordert.“