10. Mai 2018 · Inneres

Härtefallkommission bekommt so viele Fälle wie noch nie

Die Auswirkungen der Flüchtlingsbewegung vor zwei Jahren erreichen mittlerweile auch die Härtefallkommission. Insgesamt 996 Ausländer haben sich im vergangenen Jahr mit einer Eingabe an die Kommission gewandt und darum gebeten, als Härtefall angesehen und damit nicht abgeschoben zu werden. „Das ist ein neuer Rekord“, sagt die Vorsitzende der Kommission, Anke Breusing. Sie geht davon aus, dass darunter bereits Eingaben von Flüchtlingen sind, die 2015/16 nach Deutschland gekommen sind und die Wege des Asylrechts schon ausgeschöpft haben. „Ich bin mir allerdings sicher, dass wir deshalb auch in den kommenden Jahren Eingaben mindestens im hohen, dreistelligen Bereich haben werden“, sagt Breusing.

287 Betroffene werden nicht abgeschoben

Die Härtefallkommission gilt aus „Gnadeninstanz“, wie Innenminister Boris Pistorius sie nennt. Denn durch sie können Ausländer ein Bleiberecht erlangen, obwohl das Gesetz ihre Abschiebung verlangt. „Es gibt immer Fälle, in denen Menschen die negativen Folgen des komplexen Asylrechts zu spüren bekommen, obwohl ihnen nach dem gesunden Menschenverstand ein Bleiberecht zustehen müsste“, sagt Pistorius. So hat sich denn auch die Kommission im vergangenen Jahr in 131 Fällen dafür ausgesprochen, dass die 287 Betroffenen nicht abgeschoben werden. Darunter sind 69 Einzelpersonen, 48 Eltern und 127 Kinder sowie drei Ehepaare. Allerdings hat das Innenministerium nur 120 Empfehlungen bestätigt. Drei sind nicht mehr im Jahr 2017 entschieden worden, bei zweien konnten die Betroffenen eine Duldung für die Dauer einer Ausbildung bekommen und in weiteren sechs hat der Minister schlicht abgelehnt. „Das sind in der Regel Fälle, in denen sich uns die Integrationsanstrengungen der Betroffenen anders darstellen als der Kommission“, sagt Pistorius.
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Denn um das „Gnadenasyl“ zu bekommen, müssen die Autoren der Eingaben hohe Hürden nehmen. Zunächst muss der Rechtsweg komplett ausgeschöpft sein. „Dazu müssen auch Klagen vor Gericht schon entschieden sein“, sagt Breusing. 151 Eingaben sind im vergangenen Jahr wegen Nachrangigkeit nicht angenommen worden, weil der Rechtsweg den Betroffenen noch Möglichkeiten gelassen hat. „Hier haben wir auch einen Anstieg festgestellt, wir leisten immer mehr Beratungs- und Aufklärungsarbeit“, sagt Breusing. Auch 140 weitere Eingaben sind gar nicht erst vor das Gremium gelangt, weil formale Voraussetzungen noch nicht gegeben waren. Etwa, dass die Kommission zuständig ist, oder der Betroffene schon zur Ausreise verpflichtet war. Von den 996 Eingaben landeten schließlich 227 zur Beratung in der Kommission. Hier geht es darum, ob eine humanitäre oder persönliche Notlage ein Bleiberecht rechtfertigen. Für eine positive Entscheidung müssen aber auch die Betroffenen etwas tun. Sie müssen beweisen, dass sie sich in Deutschland gut integriert haben.

Familie erfüllte alle Kriterien eines Härtefalls

Das trifft etwa zu auf ein Ehepaar mit zwei Kindern aus dem Landkreis Cuxhaven. Die Familie stammt aus dem Kosovo und kam vor drei Jahren nach Deutschland. Der jüngste Sohn ist schon in der neuen Heimat geboren. Für Menschen aus den Balkanländern gibt es mittlerweile eine klare Rechtsprechung, die Chancen auf Asyl tendieren gegen Null. „Deshalb geht es in vielen der Fälle, die wir beraten, um Menschen aus den Balkanländern“, sagt Breusing. Die Familie erfüllte alle Kriterien für einen Härtefall. Der Vater arbeitet in einem Vollzeitjob, die Kinder gehen in den Kindergarten und die Mutter arbeitet in Teilzeit. Vom Staat ist diese Familie nicht abhängig. „Uns haben zudem massenweise Briefe von Gemeindemitgliedern erreicht, die sich für die Familie einsetzen wollen“, sagt Breusing. Und auch die Ausländerbehörde hat der Kommission geraten, dieser Familie das Bleiberecht auf diesem Wege zukommen zu lassen. Die Familie gehört deshalb zu denen, die seit dem vergangenen Jahr sicher wissen, dass ihre zukünftige Heimat Deutschland heißt.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #88.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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