Nach massiven Protesten hatte die Landesregierung im vergangenen Jahr eingelenkt – und die zunächst vorgesehene Ausweitung des Gipsabbaus im Südharz um 40 Hektar wieder aus dem Entwurf des Landesraumordnungsprogramms (LROP) gestrichen. Was stattdessen geschah, erntet indes auch bei Naturschützern und sogar bei Kommunen für scharfe Kritik – ein Abbau auch jenseits konkreter Festlegung als „Vorranggebiet“ wurde ermöglicht. „Das ist die Erlaubnis durch die Hintertür“, kritisiert etwa Friedhart Knolle vom BUND Westharz.

kritisiert der Umweltverband BUND. | Foto: BUND
Jetzt hat der Chef der CDU-Landtagsfraktion, Dirk Toepffer, für eine perspektivische Erweiterung des LROP in der nächsten Wahlperiode plädiert. Toepffer sagte, in seiner Fraktion gebe es Sympathien für die Ausweitung der Vorrangflächen für den Gipsabbau – aber weil eine erneute Änderung des LROP-Entwurfs eine weitere Verbandsbeteiligung erforderlich mache, drohe die Beschlussfassung über das Raumordnungsprogramm nicht mehr in den verbleibenden drei Landtagssitzungen bis zur Landtagswahl möglich zu sein. „Deshalb verzichten wir jetzt darauf, halten aber eine spätere Nachbesserung für angemessen.“
Diese Aussage hat beim BUND massive Kritik ausgelöst. Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick äußerte sich der Gips-Experte des Verbandes, der Vorsitzende des Regionalverbandes Westharz, Friedhart Knolle. „Gips ist ersetzbar, und wenn der Abbau wie bisher weitergeht, sind die einzigartigen Gipskarstlandschaften im Südharz in absehbarer Zeit verschwunden.“ Das wäre aus Knolles Sicht ein Drama, da die Gipskarstlandschaft ein Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten ist.
Mehr zum Thema:
Bauwirtschaft warnt: „Wir steuern auf eine Gips-Krise zu“
Gipsabbau, Solarflächen, Windräder: Grünes Licht für Raumordnungsprogramm
BUND kämpft weiter gegen Gipsabbau in Niedersachsen
Von den zehn Millionen Tonnen Gipsabbau jährlich in Deutschland kommt der überwiegende Teil bisher aus den Kohlekraftwerken als REA-Gips. Mit dem Kohleausstieg fällt dieser Weg fort – aber die andere Hälfte, die über den Abbau von Naturgips kommt, dürfe keine Lösung sein, meint Knolle. Anders als Sand und Kies, deren Vorkommen auch endlich sind und deren Importe nach dem Krieg in der Ukraine nicht leichter werden, gebe es beim Gips immerhin Alternativen. Bisher werde die Hälfte der jährlich fünf Millionen Tonnen in Deutschland verarbeiteter Naturgips im Südharz abgebaut. Anstelle von Gipsplatten könnten im Bau etwa für Wärme- und Schallschutz auch Hanf, Stroh und Holzprodukte verwendet werden. Außerdem sei es nötig, die Umstellung auf Kunst- und Recycling-Gips zu verstärken. In der chemischen Industrie fielen Massen an Kunstgipsen an, die bisher aufwendig deponiert würden.
Knolle schlägt vor, diese aufzubereiten, giftige Inhaltsstoffe im sogenannten „Phosphorgips“ abzusondern und die verwertbaren Teile im Bau einzusetzen – wie es etwa in Belgien und Finnland schon geschehe. In Deutschland werde maximal zehn Prozent des Gipses, der beim Abriss alter Gebäude anfällt, recycelt – andere Länder in der EU seien viel weiter und lägen bei 50 Prozent.

„Es ist einfach so, dass die Umweltauflagen für die Abbauunternehmer maßvoll sind und sich der Abbau von Naturgips bisher immer noch mehr lohnt als andere Verfahren, die auch Innovation erfordern“, meint Knolle. Es liege also an der Politik, die richtigen Rahmenbedingungen zu formulieren. In Niedersachsen verweist der BUND auf den vor Jahren festgelegten „Gipsfrieden“, der 2019 von Ministerpräsident Stephan Weil noch einmal erneuert worden sei. Die Regierung habe versprochen, die Gipskarstlandschaft im Südharz vor weiteren Eingriffen, die über bereits genehmigte Vorhaben hinausgehen, zu verschonen.
Nicht nur der BUND sieht diese Zusage inzwischen „aufgeweicht“, da im aktuellen LROP-Entwurf ein Gipsabbau auch dann ausdrücklich als möglich beschrieben wird, wenn kein Vorranggebiet festgelegt ist. Das heißt, die kommunalen Behörden hätten bei Anträgen auf Abbau neuer Flächen den schwarzen Peter und müssten Naturschutz gegen Rohstoffgewinnung abwägen. Auch die Verwaltung des Landkreises Göttingen übte scharfe Kritik an dem neuen Entwurf für das LROP und forderte vom Land weitere Schritte zum Schutz der Gipskarstlandschaft.


