Grüne Jugend rügt Ampel: „Die soziale Flanke wird gerade weit geöffnet“
Der Vorstand der Grünen Jugend (GJ) in Niedersachsen, der Jugendorganisation der Grünen, ist mit dem Erscheinungsbild der Ampel-Regierung im Bund höchst unzufrieden. „Die soziale Flanke wird in Berlin gerade weit geöffnet. Wenn die soziale Sicherheit verloren geht und die Menschen Abstiegsängste haben, ist es kein Wunder, dass grüne und linke Mehrheiten verloren gehen“, sagt Felix Hötker, Vorstandssprecher der GJ. „Bei vielen Projekten, etwa der Kindergrundsicherung, steht sich die Ampel selbst im Weg. Auch die Reform des Asylsystems sehen wir sehr kritisch“, ergänzt die Co-Sprecherin Pia Scholten.
In einem Monat ziehen sich Hötker und Scholten von der Führung der Grünen-Nachwuchsorganisation zurück. Vor zwei Jahren hatten die beiden die Sprecherfunktionen im Landesverband übernommen, seither hatten sie sich sehr rege in die politische Debatte eingemischt und wichtige Positionen formuliert. So geht die Grünen-Forderung im Landtagswahlprogramm, eine „Mobilitätsgarantie“ auszusprechen, wesentlich auf den Einfluss der GJ zurück. Im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen ist vereinbart worden, hierzu ein Modellprojekt zu starten. „Mobilitätsgarantie“ heißt, dass in jedem Ort des Landes zu bestimmten Zeiten eine öffentliche Transportmöglichkeit angeboten werden muss – per Bahn, Bus oder Rufbus beispielsweise.
Der 26-jährige Psychologiestudent Hötker aus Göttingen will künftig sein Studium beenden und wird im Europawahlkampf im Team für die Gestaltung der Wahlkampagne aktiv sein. Die 24-jährige Scholten, die in Hildesheim Sozial- und Organisationspädagogik studiert, bewirbt sich für ein Beisitzermandat im Bundesvorstand der Grünen Jugend. Ihre Vorgängerin Svenja Appuhn, Medizin-Studentin aus Hannover und GJ-Landessprecherin von 2019 bis 2021, möchte zur neuen Bundessprecherin der Grünen Jugend gewählt werden.
Zwei Bewerber für den Vorsitz der GJ in Niedersachsen, der am 18. November neu gewählt wird, stehen bereits fest. Das ist zum einen die 24-jährige Studentin der Geschichte und Soziologie in Osnabrück, Rukia Soubbotina, zum anderen der 21-jährige Psychologiestudent David Christner aus Braunschweig. Christner sagt, in der Politik sei auch ein Bündnis mit anderen Gruppen wichtig – etwa mit der Klimabewegung oder den Gewerkschaften. Im Oktober hatte er, als Vertreter der GJ in Braunschweig, gemeinsam mit anderen Gruppen gegen die häufige Nutzung von Privatjets demonstriert.
Soubbotina nennt als Ziel, die jungen Menschen „in der Politik sprechfähig zu machen“ und sie zu ermuntern, Positionen zu beziehen. Ein Gefühl der Ungerechtigkeit dürfe sich nicht in politischer Enthaltsamkeit ausdrücken. Was die Asylpolitik angeht, zeigt sich die scheidende GJ-Sprecherin Scholten von Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) enttäuscht. Die Rufe nach Grenzkontrollen und Beschränkungen von Zuwanderung, die auch von Behrens erhoben werden, seien „populistisch und nicht zielführend“. Es sei verkehrt, Asylsuchende „in haftähnlichen Verhältnissen an den EU-Außengrenzen unterzubringen“.
Hötker sagt, die Bilanz nach knapp einem Jahr Rot-Grün in Niedersachsen sei gemischt. Einerseits gebe es sehr aktive Ministerien wie Umwelt und Agrar, dann aber sehe man immer wieder, wie Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) ökologische Ansätze ausbremse. Auch die Investitionsoffensive lasse noch auf sich warten. „Ein Aussetzen der Schuldenbremse wäre hier sinnvoll, außerdem sollte die Landesregierung in Berlin auftreten und die Wiedereinführung der Vermögensteuer fordern.“
Dieser Artikel erschien am 20.10.2023 in der Ausgabe #182.
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
Jetzt vorbestellen