GroKo: „Wir werden einige unserer Vorhaben neu bewerten müssen"
Soll es künftig ein Weihnachtsgeld auch für Pensionäre geben, also für Beamte im Ruhestand? Im vergangenen Jahr hatten der Beamtenbund und auch einige DGB-Gewerkschaften, so die Gewerkschaft der Polizei, das vehement gefordert. Damals erklärten die Vertreter von SPD und CDU im Landtag, man wolle diesen Wunsch „prüfen“. Gestern nun traten die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen vor die Presse und verkündeten ihre Halbzeitbilanz nach Ablauf der ersten zweieinhalb Jahre dieser Legislaturperiode. Dabei erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Toepffer: „Wir werden einige unserer Vorhaben neu bewerten müssen.“ Auf Nachfragen fügte er hinzu, er sehe gegenwärtig keinen Spielraum dafür, den Pensionären ebenfalls diese Sonderzahlung zukommen zu lassen. Auch für die Anhebung aller Lehrerstellen auf mindestens A13 als Eingangsbesoldung fehle das nötige Geld in der Landeskasse. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder kommentierte Toepffers Einlassung nicht, widersprach aber auch nicht.
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Im vergangenen Jahr hatten sich die Koalitionsfraktionen auf eine schrittweise Rückkehr zum Weihnachtsgeld für Beamte, das 2004 gestrichen wurde, verständigt. Bis zur Besoldungsgruppe A8 war bis dahin ein Betrag von jährlich 420 Euro gezahlt worden, er wird in diesem Jahr auf 920 Euro aufgestockt. Für alle Beamten oberhalb von A8, also A9 und höher, gibt es in diesem Jahr erstmals das Weihnachtsgeld von 300 Euro als jährliche Sonderzahlung. Damit werden die 130.000 Landesbeamten bedacht, die mehr als 90.000 Pensionäre jedoch waren in den Beschlüssen des vergangenen Jahres nicht enthalten. Toepffer erklärte nun, der öffentliche Dienst habe in den vergangenen Monaten „beachtliches geleistet“, man werde die 2019 beschlossenen Schritte auch „nicht zurückdrehen“. Für die Ausweitung auf die Ruhestandsbeamten fehlten aber die finanziellen Möglichkeiten, da die Corona-Krise die Steuerquelle zum Versiegen gebracht habe. Das gilt auch für die eigentlich erwarteten nächsten Stufen in der Anhebung der Besoldung für die 40.000 Lehrer, die noch nach A12 bezahlt werden. Sie erhalten nach den Beschlüssen von 2019 nun etwas weniger als 100 Euro monatlich mehr, das ist aber nur weniger als ein Viertel des Unterschiedsbetrags zwischen A12 und A13. Die Koalition wollte eigentlich den nächsten Schritt gehen und die Zulage anheben. Dafür dürfte es nach dem Auftritt von Toepffer und Modder nun schwer werden.
Die beiden Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen legten sich noch zu weiteren Streitfragen fest:
Zwangsverpflichtung für Pflegekräfte und Ärzte: Der Plan der Koalition, in Pandemie-Zeiten medizinisches Personal auch durch die Regierung für bestimmte Einsätze zwangsverpflichten zu können, wird nach Aussage von Modder „noch einmal gründlich diskutiert werden“. Man werde den Plan, den die Sozialpolitiker „nicht ohne Grund in den Entwurf geschrieben haben“, gründlich prüfen und womöglich entschärfen. Es hatte Proteste gegeben, in NRW war die Regierung von einem ähnlichen Vorhaben wieder abgerückt.
Hausarztquote: Modder sagte, für die nötige Ausweitung der Medizin-Studienplätze seien auch Investitionen am Hochschulstandort Oldenburg nötig.
Justiz: Toepffer rechnet mit einer Zunahme von Arbeits- und Sozialgerichtsprozessen, daher müssten die Gerichte mit einer Klagewelle rechnen und mit Personal und Möglichkeiten besser ausgestattet werden.
Schuldenbremse: Modder sagte, SPD und CDU müssten noch einmal diskutieren, ob in Anbetracht der Notwendigkeit neuer Konjunkturprogramme „die Schuldenbremse so wie bisher vereinbart noch zu halten sein wird“.
Wirtschaft: Toepffer sagt, viele Wirtschaftsbereiche stünden vor einer kompletten Neuorientierung. Wenn Fernreisen nicht mehr gefragt seien, könne das Chancen für Niedersachsen als Urlaubsland bieten. Die mangelnde Nachfrage nach riesigen Kreuzfahrtschiffen könne dazu führen, dass die Meyer-Werft ihre Produktion umstellen müsse, dann sei der Staat gefordert, solche Prozesse zu begleiten. Modder sprach sich für einen „Ostfrieslandplan“ aus, obwohl sie das Wort ablehne. Es gehe um gezielte und gebündelte Regionalförderung, die bisher Südniedersachsen zugute kam und jetzt auch auf den Nordwesten konzentriert werden könne. Die Probleme der Meyer-Werft, von Enercon in Aurich und von VW in Emden ballten sich zusammen.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #096.