12. Aug. 2019 · Bildung

GEW bietet an: Lehrer könnten vorübergehend freiwillig länger arbeiten – gegen einen Bonus

Kurz vor dem Start des neuen Schuljahres sieht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine massive Unterversorgung an den Schulen. „Mit Ach und Krach kann Kultusminister Grant Hendrik Tonne die 1900 neuen Stellen für Lehrer an unseren Schulen, die er ausgeschrieben hat, mit Bewerbern besetzen. Aber eigentlich ist das viel zu wenig. An vielen Grund-, Haupt- und Realschulen haben sich gar keine oder viel zu wenig Interessenten gemeldet. Hier wird man nur mit Abordnungen von Gymnasiallehrern reagieren können. Aber das hilft auf die Dauer nicht“, sagt die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth. Sie sieht im nächsten Schuljahr 2020/2021 wegen des dann doppelten Abiturjahrgangs erhebliche Probleme. „Eigentlich müssten wir jetzt schon 1250 zusätzliche Lehrer einstellen, damit wir in einem Jahr für die Herausforderungen gerüstet sind“, erläutert Pooth. Kultusminister Tonne wird am morgigen Mittwoch in einer Pressekonferenz über die Lage an den Schulen aus seiner Sicht berichten. https://soundcloud.com/user-385595761/fehlende-lehrer-gew-chefin-pooth-richtet-appell-an-die-spd Pooth bietet der Landesregierung an, bei der Lösung der Personalengpässe auch einen ungewöhnlichen Weg zu gehen. Sie spricht von „freiwilligen Arbeitskonten, die auch einen Anreiz bieten“, vorübergehend Mehrarbeit in Kauf zu nehmen. Dies könne etwa so funktionieren, dass ein Lehrer eine Stunde mehr in der Woche unterrichtet, dafür aber etwa 1,5 Stunden gutgeschrieben bekommt. Diese Stunde könne er dann später, wenn sich die Situation an den Schulen entspannt hat, in Freizeit oder finanziell ausgeglichen bekommen. Vor Jahren hatte es schon Arbeitszeitkonten gegeben, die Erfahrungen seien aber „nicht gut“ gewesen, berichtet Pooth. Die Zusagen seien nicht eingehalten worden, da der Unterrichtsbedarf an den Schulen seinerzeit noch gewachsen war. Trotzdem sei ein neuer Anlauf nun möglich. Jetzt biete sich an, vor allem Teilzeitkräften derartige Angebote zu unterbreiten. „Dazu müssen wir mit dem Minister ins Gespräch kommen“, sagt die GEW-Vorsitzende. https://twitter.com/NDRnds/status/1160955352617066506 Sie schlägt noch weitere Schritte vor, wie man der Misere – kaum Bewerber für Lehrerstellen an Grund-, Haupt-, Ober-, Real-, Gesamt- und Berufsschulen – begegnen kann: Die Ausbildungsgänge für Lehrer dieser Schularten an den pädagogischen Hochschulen in Hannover und Göttingen, die vor etlichen Jahren abgeschafft wurden, müssten wieder aufgebaut werden. Der Sparzwang wegen der Schuldenbremse, der zur Zurückhaltung auch bei Bildungsausgaben verpflichte, müsse aufgegeben werden. „Ich erwarte von der Niedersachsen-SPD auf Bundesebene eine Initiative zur Abschaffung der Schuldenbremse“, erklärt Pooth. Die von der Landesregierung für 2020 versprochene Zulage für Lehrer mit A12-Gehalt brauche außerdem einen Stufenplan für weitere Schritte in folgenden Jahren – „das Ziel ist eine Angleichung, also A13 für alle“, betont Pooth. Beamtenrechtliche Hürden wegen des Abstandsgebotes sieht die GEW an dieser Stelle, anders als etwa der Philologenverband, nicht. Außerdem müsse die Altersermäßigung für ältere Lehrer verbessert werden, damit diese nicht wegen Überlastung vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden.

Ich erwarte von der Niedersachsen-SPD auf Bundesebene eine Initiative zur Abschaffung der Schuldenbremse.


Die GEW hat mehrere Beispiele aufgelistet, die aus ihrer Sicht die aktuellen Probleme an den Schulen drastisch beschreiben. Deutlich werde, dass es immer schwerer falle, Interessenten für entlegene Orte und Schulen in problembehafteten Gebieten zu finden. In Bückeburg habe die Oberschule vier Stellen ausgeschrieben, kein Bewerber habe sich gemeldet. In Salzgitter könne eine Schule ihren Bedarf nur mit Abordnungen decken, an Wolfsburger Grundschulen sei die Unterrichtsversorgung schlecht. Auch in Oldenburg und Osnabrück, eigentlich beliebten Städten, falle die Stellenbesetzung schwer. https://twitter.com/Unter_3/status/1160841261776924672 An zwei Schulen im Bereich Weser-Ems sei die Zahl der abgeordneten Gymnasiallehrer schon größer als das Stammpersonal. Tonne habe versprochen, dass die Abordnungen von Gymnasiallehrern an andere Schulen nur vorübergehend sein sollten und „schrittweise auf Null zurückgeführt“ werden müssten. Nun erlebe man aber das Gegenteil, ohne Abordnungen könne der aktuelle Bedarf an den Schulen gar nicht erfüllt werden.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #136.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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