6. Feb. 2020 · 
Wirtschaft

Für die Industrie läuft die Energiewende wegen politischer Versäumnisse nicht rund

Die Wirtschaft in Niedersachsen ist unzufrieden damit, wie die Politik die Energiewende gestaltet. Stefan Dohler, Vorstandsvorsitzender des Energieversorger EWE, warf der Bundesregierung fatale Fehler vor. Man habe in den Planungen schlichtweg die Industrie vergessen. „Deshalb haben wir jetzt keine Photovoltaikindustrie mehr und große Probleme bei der Windenergie. Man darf die Industriepolitik nicht außer Acht lassen“, warnte er bei einer Veranstaltung der Unternehmerverbände Niedersachsen.
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Marten Bunnemann, Vorstandsvorsitzender des Eon-Netzbetreibers Avacon, mahnte, es werde ein exponentielles Wachstum bei erneuerbaren Energien und der entsprechenden Netzstruktur benötigt. Allein in Salzgitter gebe es unter anderem durch die Stahlindustrie und das neue Batteriewerk einen immensen Bedarf an grünem Strom. „Hier sehe ich seit zwei Jahren aber eine absolute Stagnation, in vielen Teilen sogar einen Rückgang. Es braucht viel ‚Leadership‘ in der Politik, um hier klare Rahmenbedingungen zu setzen“, forderte Bunnemann. Schließlich leiste sich die deutsche Volkswirtschaft mit dem gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle und Kernenergie ein riesiges Experiment. Dies sei eine gesamtwirtschaftliche Herausforderung. Auch Hamburgs parteiloser Wirtschaftssenator Michael Westhagemann übte Kritik an der Energiepolitik der Bundesregierung. „Wir machen uns immer abhängiger vom Ausland. Das kann einen schon sehr nachdenklich machen.“

Ihr habt den grünen Strom nicht gewollt, dann bekommt ihr jetzt auch keinen grünen Wasserstoff. Wir machen hier im Norden jetzt erst mal weiter.


Im Mittelpunkt der UVN-Veranstaltung in der Sparkasse Hannover stand die Zukunft der Wasserstofftechnologie. Westhagemann forderte mehr Dynamik. „Wie lange reden wir eigentlich schon über Wasserstoff? Zwischenzeitlich ist ziemlich wenig passiert“, kritisierte er. Der Hamburger Senator sieht wie sein niedersächsischer Amtskollege Bernd Althusmann vor allem in Norddeutschland große Chancen. Er sei felsenfest überzeugt, dass hier etwas völlig neues entstehen könne. An die Adresse der Süddeutschen sagte Westhagemann: „Ihr habt den grünen Strom nicht gewollt, dann bekommt ihr jetzt auch keinen grünen Wasserstoff. Wir machen hier im Norden jetzt erst mal weiter.“ UVN-Hauptgeschäftsführer Volker Müller stellte fest, dass es im Norden bereits eine Wasserstoffstrategie gebe, die der Bund bisher nicht „auf die Reihe bekommen“ habe. Müller meinte aber auch: „Es gibt ganz viel ‚könnte, müsste und sollte‘. Man muss aber auch einmal konkret anfangen.“

Es gibt diese Autos schon, die werden schließlich bei uns betankt – und diese Modelle kommen auch aus Wolfsburg.


Die Industrie setzt große Hoffnungen in die Wasserstofftechnologie. Jens Asmuth. Geschäftsführer der JA-Gastechnology, einem Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitern in Burgwedel, sprach von einer hervorragenden Chance für den Mittelstand. Er geht fest davon aus, dass auch deutsche Autohersteller bei Motoren auf die Brennstoffzelle setzen werden. „Es gibt diese Autos schon, die werden schließlich bei uns betankt – und diese Modelle kommen auch aus Wolfsburg“, erklärte Asmuth. Verständlich sei allerdings, dass Volkswagen mit dem Fokus auf die Batterietechnik jetzt erst einmal EU-Strafzahlungen verhindern wolle. „Dabei setzt VW zunächst einmal auf die einfachste Technologie. Die haben schon Fünfjährige mit dem Fischertechnik-Baukasten hergestellt“, lästerte der Unternehmer. Auf längere Sicht setzt er auf das Brennstoffzellenauto. Das sei wichtig für Deutschland, weil das Land eine Stärke bei komplexen Techniken habe. Hier sieht auch Westhagemann eine wichtige Zukunftstechnologie und nannte als Beispiel die Hamburger Busse. In der Hansestadt seien etwa 30 E-Busse mit Batterie unterwegs, die etwa 150 Kilometer zurücklegen könnten. „Abends dauert es sieben bis acht Stunden, um die Busse aufzuladen. Deshalb ist es nicht realistisch, nur auf die Batterie zu setzen.“

Wir sind der neue Ruhrpott, aber eben in sauber.


Die Batterietechnik ist auch ohnehin nur richtig sauber, wenn sie mit erneuerbaren Energien aufgeladen wird. Für die Wirtschaft in Niedersachsen ein Grund mehr, die Erneuerbaren kräftig auszubauen – gerade hier in Norddeutschland. „Wir sind der neue Ruhrpott, aber eben in sauber“, stellte der EWE-Vorstandsvorsitzende Stefan Dohler fest.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #025.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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