Soll die Frauenförderung im öffentlichen Dienst künftig strenger und eindeutiger geschehen als bisher? Noch im Dezember hatte die damalige Sozialministerin Daniela Behrens (SPD) angekündigt, einen Gesetzentwurf zu diesem Ziel zügig im Kabinett vorzulegen. Das „Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz“ (NGG), das noch in seiner Fassung von 2011 gültig ist, solle an wichtigen Punkten zugespitzt und verschärft werden. Nun ist Behrens Innenministerin, ein Entwurf liegt noch nicht vor, aber die rot-grüne Koalition hat dem Landtag für die Sitzung nächste Woche einen Entschließungsantrag übersandt, der zunächst eine allgemeine Absichtserklärung enthält und die wirklich spannenden Fragen einer möglichen Gesetzesänderung noch ausklammert. SPD-Fraktionschef Grant Hendrik Tonne erklärte am Donnerstag: „Ein wichtiges Ziel wird es sein, die Kriterien für die Beurteilung von Mitarbeitern zu verändern. Regelmäßig werden nämlich Teilzeitkräfte schlechter eingestuft als Vollzeitkräfte. Und die meisten Teilzeitkräfte sind nun mal Frauen.“

Das NGG in der Fassung von 2011 sieht mehrere Regeln für die Verwaltungen des Landes und der Kommunen vor, für Hochschulen, Gerichte und Schulen: In allen Bereichen, in denen ein Geschlecht unterrepräsentiert ist (also meistens die Frauen), „sind Stellen grundsätzlich öffentlich auszuschreiben“. In dieser Ausschreibung solle das unterrepräsentierte Geschlecht gezielt angesprochen werden. Sollten sich dennoch nur Vertreter des dominanten Geschlechts bewerben, kann die Gleichstellungsbeauftragte auf eine Wiederholung der Ausschreibung pochen. Mindestens die Hälfte der in das engere Verfahren gezogenen Bewerber sollten dem unterrepräsentierten Geschlecht angehören.
Wenn es dann um die Personalauswahl geht, darf die Behörde einen Vertreter des unterrepräsentierten Geschlechts bevorzugen, auch wenn dieser gegenüber einem Mitbewerber des bisher überrepräsentierten Geschlechts die gleiche Beurteilung bei Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung hat. Diese 2011 unter einer CDU/FDP-Regierungsmehrheit beschlossenen Regeln sollen nun offenbar von Rot-Grün noch nachgebessert werden. Statt „grundsätzlicher öffentlicher Ausschreibung“ könnte eine Ausschreibungspflicht kommen – die dann Ausnahmen gar nicht mehr zulässt. Die Erlaubnis, ein Geschlecht bei gleicher Beurteilung vorzuziehen, könnte ebenfalls zu einer Verpflichtung werden. Viele Hinweise, die wie Soll-Vorgaben wirken, könnten in Richtung von Muss-Vorgaben umformuliert werden. Das Ganze ist allerdings juristisch nicht einfach zu regeln, da die ausschlaggebenden Kriterien von Eignung, Befähigung und Leistung nach der Rechtsprechung schon klar definiert sind.
Das geltende NGG sieht auch vor, dass alle Behörden, in denen mehr als 50 Mitarbeiter arbeiten und Frauen in leitenden Funktionen unterrepräsentiert sind, einen „Gleichstellungsplan“ vorlegen müssen, der dann über den Stand der Frauenförderung informiert. Vor dreieinhalb Jahren erklärte das Sozialministerium nach einer Befragung der einzelnen Behörden, dass ein Viertel von ihnen keinen solchen Plan entwickelt hätten. Auch der weibliche Anteil an Leitungsfunktionen wurde bei dieser Gelegenheit ermittelt. Im öffentlichen Dienst sind zwar überwiegend Frauen beschäftigt, in Führungsfunktionen der A-Besoldungsstufe aber nur bis maximal zu einem Drittel, in den darüberliegenden Funktionen der B-Besoldung nur bis maximal 21,4 Prozent. Das waren die Angaben von Mitte 2019.
Im aktuellen Entschließungsantrag strebt Rot-Grün nun an, dass die Festlegung und Kontrolle der Gleichstellungsziele nicht mehr wie bisher jeder Behörde selbst überlassen bleiben soll. Immer dann, wenn die Vorgabe des Gleichstellungsplans in einer Behörde nicht eingehalten werde, solle künftig eine Stellenbesetzung (die dann vermutlich zugunsten eines Mannes ausfällt) von der Gleichstellungsbeauftragten gestoppt werden können. Der rot-grüne Antrag sieht außerdem eine Stärkung von Teilzeit-Angeboten vor. Die Behörden sollten ihre Abläufe so organisieren, dass alle Stellen – auch die Führungsstellen – grundsätzlich teilzeitgeeignet sind. Die Gremien in Unternehmen und in Behörden, etwa Personal- oder Aufsichtsräte, sollten zudem paritätisch besetzt sein. Immer dann, wenn das Land Mitglieder in solche Gremien entsende, solle darauf Rücksicht genommen werden. Ausnahmen sollten nur bei zwingenden Gründen möglich sein.