Franz Walter, Politologe und Parteienforscher aus Göttingen, hat sich in einem längeren Aufsatz mit den Auswirkungen der Bundestagswahl auf die CDU beschäftigt. Darin kommt er zu dem Schluss, dass die Erfolgsformeln bürgerlicher Politik, die von der Adenauer- bis zur Kohl-Zeit gegolten hätten, ins Wanken geraten seien.

Früher habe die Partei ihr Selbstbewusstsein aus dem In-sich-selbst-Ruhen geschöpft und dem Bewusstsein, „Ausdruck von Mitte und Mehrheit der Gesellschaft“ zu sein. Die CDU sei wegen schlichter Bürgerlichkeit, Patriarchalismus und Bindung an die Provinz gewählt worden. Ganz sei das noch nicht zu Ende, doch das strikte Feindbild der Union fehle heute – Sozialdemokraten und Grüne würden als solches inzwischen ausscheiden, da sie Regierungspartner waren oder sind. Außerdem lasse die Bindung an christliche Traditionen nach, in katholischen Gegenden bemängele man das Übergewicht protestantischer Politiker an der CDU-Spitze. Walter kommt zu dem Schluss: „Die Christdemokraten in Deutschland haben keine klare Idee vom künftigen Wozu und Wohin ihres Tuns.“ Gedankliche Klärungen zu der Frage, was die CDU ausmacht, seien in den vergangenen Jahren kaum begonnen worden.