Hat die Landesregierung versucht, die Meinungsfreiheit zu unterbinden – zu Lasten der FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag? Einen solchen Verdacht hegt der Fraktions- und Landesvorsitzende Stefan Birkner. Er hat in einem Brief an Innenminister Boris Pistorius (SPD) seine „große Sorge“ ausgedrückt, dass „aus nichtigem Anlass der Pfad der fairen politischen Auseinandersetzung verlassen worden ist“ und „wesentliche Grenzen überschritten worden sind“. Es geht um eine Plakataktion, die von der FDP geplant worden ist – aber dann von der Straßenbaubehörde unterbunden werden sollte. Der Verdacht der Freien Demokraten ist, dass dies auf Weisung der Polizei geschehen sein könnte. Eine Antwort auf den Brief hat die FDP noch nicht erhalten.

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Auslöser ist der Streit um „Section Control“, jene automatische Geschwindigkeitsmessanlage, die auf der Bundesstraße 6 zwischen Laatzen-Rethen und Laatzen-Gleidingen errichtet worden ist. Mittlerweile hat ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover dazu geführt, dass das Innenministerium diese Anlage abschalten musste. Hintergrund ist, dass im Konzept dieser Anlage sämtliche Fahrzeuge, die diese rund 1,2 Kilometer lange Strecke durchfahren, zunächst fotografiert werden.

Zwar beteuerte das Innenministerium, dass nur die Daten der Autos gespeichert werden, die zu schnell am zweiten Kontrollpunkt sind und damit die Höchstgeschwindigkeit überschritten haben. Aber die Richter sehen einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung, da massenweise Daten von Autofahrern erfasst werden, die sich korrekt verhalten und nicht zu schnell unterwegs gewesen sind. Für solche Eingriffe ist nach Ansicht der Richter eine spezielle Vorschrift im Polizeigesetz nötig – bisher gibt es diese dort aber nicht, sie ist im Gesetzentwurf von SPD und CDU nur in Planung.

SPD zog Pressemitteilung über „fulminant gescheiterten FDP-Plakataktion“ kurzfristig zurück

Die FDP hatte sich früh an die Seite der Kritiker von „Section Control“ gestellt – auch mit Blick auf den unvertretbaren Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger. Sie hatte daher vor allem die Klage des Laatzener Anwalts Arne Ritter unterstützt. Dieser sagte, er habe nichts dagegen, wenn Raser geblitzt werden – wohl aber dagegen, dass seine Daten als Fahrer, der sich an Vorschriften hält, tagtäglich von der Anlage fotografiert und zumindest vorübergehend festgehalten werden. Begleitend zu dem Prozess, den Ritter vor dem Verwaltungsgericht führte, hatte die FDP eine Plakataktion in Gang gesetzt. Ihren Protest gegen „Section Control“ wollten die Freien Demokraten mit einem Großflächenplakat untermauern, dass sie entlang der Strecke parallel zur B6 auf einem Acker aufstellen wollten.

Die Aktion startete am 7. März vormittags. Schon am 6. März nachmittags ließ die FDP das Plakat aufstellen – aber angeblich, so schreibt Birkner an Pistorius, hatten bei der Polizei Zweifel bestanden, ob der nötige Abstand zur Straße eingehalten wird. So habe die Straßenbauverwaltung das Plakat noch am 6. März abgebaut, um es dann am 7. März abzutransportieren – und zwar vor der für 10 Uhr geplanten FDP-Aktion. Da Birkner selbst aber am 7. März früher als geplant vor Ort gewesen sei, habe er das Beiseiteschaffen des Plakates verhindern können. Im Gespräch mit den Mitarbeitern der Straßenbauverwaltung habe er bewirken können, das Schild etwas weiter entfernt von der Straße zu errichten. Das sei dann geschehen.

Die FDP schließt aber zwei Fragen an diesen Vorgang an: Ob Polizei und Straßenverkehrsbehörde (die Wirtschaftsminister Bernd Althusmann untersteht) erstens die Einwände gegen den Standort des Plakates nur vorgeschoben hätten, um die Aktion als solche zu unterdrücken. Üblicherweise, sagt Birkner, tauschen sich Behörde und Veranstalter darüber aus, wenn es um die Frage geht, wo genau ein Protestschild aus Sicherheitsgründen aufgebaut werden darf. Zweitens will die FDP wissen, ob die Landesregierung Informationen über das geplante Vorgehen gegen die FDP-Aktion an die Koalitionsfraktionen durchgestochen habe.

Denn die SPD hatte am Nachmittag des 7. März eine Pressemitteilung zur „fulminant gescheiterten FDP-Plakataktion“ verschickt – obwohl zu dem Zeitpunkt die Aktion gar nicht gescheitert war. Woher aber hatte die SPD den Hinweis, dass ein Scheitern in Aussicht gestanden hatte? Hätte das nicht nur von der Polizei oder der Straßenverkehrsbehörde kommen können? Wenn die SPD das aber von einer Behörde erfahren hatte, wäre das dann der Verrat eines Dienstgeheimnisses gewesen?