18. Jan. 2021 · Bildung

Fast 400 Forschungsprojekte allein in Niedersachsen: Corona beflügelt die Ideen

Als die Corona-Pandemie im März vergangenen Jahres ausgebrochen war, die Politik überrascht hatte und binnen kurzer Zeit drastische Schutzvorkehrungen vom Staat verfügt wurden, kam sofort auch die Frage auf: Wie schnell kann die Wissenschaft reagieren, das Virus erforschen und Konzepte für den Umgang mit solchen ungewöhnlichen Situationen entwerfen? Der Corona-Sonderausschuss des Landtags, der die langfristigen Folgen der Pandemie für Politik und Gesellschaft unter die Lupe nehmen soll, hat sich jetzt diese Frage vorgenommen. In zwei ausführlichen Stellungnahmen, die inzwischen vorliegen, schimmert nun viel Lob durch: „Niedersachsen hat hervorragend und schnell reagiert, hierzulande wurden vielfältige Forschungsaktivitäten zur Covid19-Pandemie ins Leben gerufen“, schreibt Prof. Ferdi Schüth, der Vorsitzende der „Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen“ (WKN). Im Hauptberuf ist er Direktor des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr. Die in Hannover ansässige Volkswagenstiftung, die sich auf die Förderung der Wissenschaft spezialisiert hat, kommt zu einem ähnlichen Schluss: „Die Krisenlage der Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die deutsche und die niedersächsische Wissenschaft gut aufgestellt sind, um kurzfristig und mit hoch relevanten Forschungsergebnissen auf ein derartiges Infektionsgeschehen zu reagieren.“ Wenn man langfristig Erfolge haben wolle, müsse man aber auch die Förderung langfristig anlegen – und die nötigen Ressourcen dauerhaft zur Verfügung stellen, heißt es ergänzend.

Die Volkswagenstiftung verknüpft ihre Beurteilung auch mit einer Mahnung an die Adresse der Politiker: „Die Finanzierung der Hochschulen des Landes sollte nicht – wie aktuell vorgesehen – durch globale Minderausgaben reduziert werden.“ Das Ziel müsse vielmehr sein, das Wissenschaftssystem in Niedersachsen „strategisch weiter zu entwickeln“. Die Volkswagenstiftung berichtet, dass sie selbst dazu im Krisenjahr 2020 mehrere Beiträge geleistet habe. Ein Sofortprogramm zur Förderung der digitalen Lehre wurde mit 4 Millionen Euro unterstützt, in diesem Jahr sollen noch einmal 4 Millionen Euro hinzukommen, das Land selbst schießt 17,8 Millionen Euro aus dem Nachtragsetat hinzu. Die Volkswagenstiftung hat zudem aus 1100 Anträgen für Corona-Forschungsprojekte 100 herausgesucht und diese um Corona-Forschungsmodule ergänzt – 15 Prozent befassen sich mit medizinisch-technischen Innovationen, 20 Prozent mit medialen Themen wie Kommunikation und Verschwörungstheorien, 15 Prozent mit Folgen für die Wirtschaft und die Anpassung der Mobilität. Hinzu kommt noch ein Bereich, der sich mit Auswirkungen auf die Gesellschaft und das Familienleben bezieht. Besondere Beachtung fand ein Forschungsprojekt zu den „Zoonosen“, der Gefahr einer Übertragung der Viren vom Tier auf den Menschen. Dazu wurden 2020 insgesamt 37 Anträge eingereicht.

Wie Prof. Schüth von der WKN erläutert, gibt es an den niedersächsischen Hochschulen 285 Projekte, an außeruniversitären Einrichtungen im Land noch einmal 99, die sich mit Ursachen und Folgen der Corona-Pandemie beschäftigen. Sinnvoll wäre es, meint er, wenn man diese Arbeiten noch besser als bisher vernetzen würde. Das Potential für eine gut aufgestellte Infektionsforschung in Niedersachsen sei auf jeden Fall vorhanden, der Schwerpunkt liege im Bereich Hannover/Braunschweig/Göttingen. Beispielhaft werden die Forscher Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation genannt. Gerade was das Thema Aerosole angeht, das anfangs ohne Bedeutung war und seit Beginn der Corona-Pandemie ständig an Gewicht gewann, hätten niedersächsische Forschungsinstitute wertvolle Beiträge geleistet. Wichtig sei aber, dass man hinreichend flexibel bleibe, denn die nächste Pandemie könne von völlig anderen Bedingungen ausgehen, wenn sie beispielsweise mit bakteriellen Erregern zu tun haben sollte und Antibiotika-Resistenzen eine große Rolle spielen sollten. Die Politik müsse also eine leistungsfähige Infrastruktur schaffen und vorhalten, ohne dass diese ständig zur Anwendung komme.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #009.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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