Die merkwürdigen Vorgänge im Impfzentrum des Landkreises Friesland haben jetzt den Bund der Steuerzahler (BdSt) auf den Plan gerufen. In einer ungewöhnlich drastischen Pressemitteilung spricht Bernhard Zentgraf, der Präsident der Organisation, von „Friesland-Filz“. Der Vorwurf, der im Raum steht, lautet so: Der Landkreis unter Führung von Landrat Sven Ambrosy (SPD) habe mit dem DRK-Kreisverband Jeverland einen Vertrag mit überhöhten Vergütungssätzen geschlossen.

Nur ein Teil der vereinbarten Stundensätze sei aber an die Mitarbeiter weitergegeben worden, wie sich erst anschließend herausgestellt habe. Inzwischen hat das DRK in einer Mitteilung allerdings behauptet, dem Landkreis sei die Differenz in den Kostensätzen bewusst gewesen, sie sei auch toleriert worden. Man habe alternativ ein anderes Modell angeboten, das im benachbarten Cloppenburg praktiziert worden ist – nämlich die tatsächliche Erstattung der Ist-Kosten. Auf dieses Modell habe sich der Landkreis aber nicht eingelassen.
In dieser Situation hat BdSt-Präsident Zentgraf nun mehrere Fragen. Es waren Personalkostensätze je nach Qualifikation der Bediensteten von 48 Euro, 38 Euro und 24 Euro je Arbeitsstunde (Arbeitgeberbrutto) vereinbart worden. Das unterteilt sich nach impfberechtigten Mitarbeitern, Sanitäter/Verwaltungskräfte/Betreuer und nebenamtliches Personal. Eine Verwaltungskostenpauschale von acht Prozent kam hinzu. Tatsächlich hatte der DRK-Kreisverband nur Stundenlöhne zwischen 13,45 und 18,75 Euro gezahlt. Zentgraf erklärt nun: „Landrat Ambrosy zeigte sich über diese Gehaltsdifferenzen lange unwissend und gab jetzt seiner Erwartung Ausdruck, dass die Differenzbeträge noch an die DRK-Mitarbeiter ausgezahlt werden.“ Der Steuerzahlerbund fordert nun eine „unabhängige Finanzkontrolle“, die Licht in die Vorgänge bringen müsse – und der Landesrechnungshof sei gefordert. Schließlich seien bis August 2021 insgesamt 1,38 Millionen Euro an Steuergeldern an das Impfzentrum überwiesen worden. In einer Mitteilung des DRK heißt es zu der geschlossenen Vereinbarung: „Sollten nach dem Abzug aller Kosten Überschüsse übrig bleiben, würden diese in gemeinnützige Angebote des Wohlfahrtsverbandes fließen, war man im DRK-Kreisvorstand einig.“ Dies findet Zentgraf nun überaus merkwürdig: „Eine solche zweckwidrige Umwidmung von Corona-Geldern darf es nicht geben, die Überzahlungen müssen in den Landeshaushalt zurückfließen.“
Die Darstellung des Landkreises weicht an einigen Punkten von der des DRK ab. So schrieb Landrat Ambrosy: „Wir hatten keine Hinweise darauf, dass der Wohlfahrtsverband als seit Jahrzehnten zuverlässige Organisation, mit der wir partnerschaftlich auch an weiteren Projekten arbeiten, die im Vertrag definierten Zahlungen nicht an seine Mitarbeiter weitergibt.“ Das „Cloppenburger Modell“ (spätere Abrechnung der tatsächlich angefallenen Kosten, Impfung dezentral in den Städten und Gemeinden) habe der Kreis Friesland deshalb nicht angepeilt, da das Sozialministerium den Cloppenburger Weg ausdrücklich als „Modellprojekt“ angesehen und nicht für übertragbar gehalten habe.
Der Filz-Vorwurf, der vom BdSt erhoben wird, bezieht sich auf einen Mitarbeiter des Fachbereichs Soziales in der Kreisverwaltung, der gleichzeitig zweiter Vorsitzender des DRK-Kreisverbandes Jeverland war. Hat er nun als Vertreter der Begünstigten, des DRK, auf der Seite der Vertragspartner, des Landkreises, an der Entstehung der Vereinbarung mitgewirkt? Eine Sprecherin der Kreisverwaltung versichert, das ehrenamtliche Engagement des Betroffenen sei bekannt gewesen – und alle Beteiligten hätten darauf geachtet, dass „durch diesen Kollegen keine inhaltlichen Entscheidungen getroffen wurden oder Absprachen erfolgt sind“.