2. Juni 2020 · Bildung

Expo 2000 – Erinnerung an eine Zeit voller Optimismus

Von Klaus Wallbaum Es gilt für wenige Ereignisse, aber diese sind dann sehr einprägsam. Immer wieder war die Bundesrepublik ein Gastgeber oder Ausrichter internationaler Wettbewerbe oder Ausstellungen, die Menschen aus der ganzen Welt anlockten. Das gilt für die Olympiade in München 1972, aber auch für die Fußballweltmeisterschaften 1974 und 2006. In diese Reihe passt auch die „Expo 2000“, die Weltausstellung in Hannover, die vom 1. Juni bis 31. Oktober  auf dem Messe-Gelände in der niedersächsischen Landeshauptstadt und auf dem östlich angrenzenden Areal stattgefunden hatte. Das etwas ambitionslos klingende Motto „Mensch, Natur, Technik“ verdrängt, worum es in erster Linie gegangen war – viele Staaten präsentierten sich mit ihren Pavillons und mit gezielten Veranstaltungen in Hannover, um für das gegenseitige Interesse zu werben. Die Gäste, die kamen, überwiegend Deutsche, lernten die Eigenarten fremder Kulturen kennen. Kontakte wurden geknüpft, alles geschah in einer betont heiteren, ausgelassenen Atmosphäre. Niedersachsen zeigte sich als Gastgeber von der besten Seite, damit war auch ein kräftiger Imagegewinn für das Land verbunden. [caption id="attachment_50891" align="alignnone" width="780"] Foto: J. Kleinwächter[/caption] Die Expo 2000 bleibt rückblickend als vor allem freundliche, sonnige und angenehme Dauerveranstaltung der Völkerverständigung in Erinnerung bleiben. Das liegt auch daran, dass zu dieser Zeit, gut zehn Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, die Welt immer noch – im Vergleich zu heute – relativ konfliktfrei wirkte. In Russland übernahm Wladimir Putin einen Monat vor Start der Expo die russische Präsidentschaft als Nachfolger von Boris Jelzin. Das russische Reich war zu dieser Zeit vor allem mit sich selbst und weniger mit der Weltpolitik befasst. Autoritäre Tendenzen in Moskau waren damals noch kein Thema. https://twitter.com/GrimmClaus/status/1263841403085471753 In den USA endete die Amtszeit von Präsident Bill Clinton, bei den Wahlen im Herbst standen sich sein Vize Al Gore und der Republikaner George W. Bush gegenüber. Die USA und die Russische Republik fehlten als Teilnehmer der Weltausstellung, ein schmerzlicher Mangel. Die dritte Weltmacht die Volksrepublik China, war mit einem Pavillon vertreten und präsentierte dort ein Mondfahrzeug – eine Anspielung auf einen globalen Anspruch der Politik. Damals wurde das von den meisten Besuchern belächelt, galten die USA doch zu dieser Zeit noch als die große, überragende und dominante Weltmacht.

Letztes Welt-Fest mit Unbeschwertheit

Die Weltordnung wurde mit nachhaltigen Folgen erst ein Jahr später tief erschüttert, am 11. September 2001. Wäre es früher geschehen, so wie das Attentat während der Olympischen Spiele 1972 in München – die Auswirkungen wären schwer vorstellbar gewesen. Kontrollen an den Eingängen, Registrierungen von Besuchern, Begrenzungen der Veranstaltungen, vorzeitige Abreise von Ausstellern? Solche Dinge hätten nicht nur das Erlebnis der Expo enorm getrübt, sondern auch die Rückschau auf diese Veranstaltung enorm überschattet. https://www.youtube.com/watch?v=GUVkZSotako War die Expo 2000 vielleicht eines der letzten Welt-Feste mit dieser Unbeschwertheit, die schon nach dem Anschlag auf das World-Trade-Center in New York, nach der daraufhin startenden Phase des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus und nach neuen Spannungen in der internationalen Gemeinschaft nur noch selten zu erleben war? Heute ist es ein international grassierendes Virus, das zu Einschränkungen und Kontaktverboten führt und der Welt die Verletzbarkeit von Frieden, Freiheit und Wohlstand mit Macht vor Augen führt.

Linke Szene demonstrierte gegen die Weltausstellung

Im Rückblick auf die Veranstaltung läuft man heute Gefahr, den Wirbel, den es vorher gegeben hatte, dabei auszublenden. Gegen den Mitbewerber Toronto setzte sich der Kandidat Hannover im Juni 1990 mit nur einer Stimme durch. Doch das Votum löste keine uneingeschränkte Begeisterung aus, denn die linke Szene in Hannover, unterstützt von vielen Grünen, protestierte dagegen. Die Chance, sich mit einer Großveranstaltung positiv zu präsentieren, rückte bei den Gegnern in den Hintergrund gegenüber ökologischen und sozialen Bedenken. Würde zu viel Natur geschädigt durch die Neubauten auf dem Gelände? Würde der Druck auf den Wohnungsmarkt so stark zunehmen, dass die Mieten steigen und ärmere keine Unterkunft mehr finden? https://twitter.com/NDRinfo/status/1267425474994716679 Die rot-grüne Mehrheit im Rat der Stadt setzte eine Bürgerbefragung durch – und die SPD erklärte deren Resultat für verbindlich, während die Grünen schon vorher strikt gegen die Weltausstellung waren. Die Befragung ging knapp für die Expo aus, aber die Ängste, Hannover würde zum Magneten werden und viele auch unwillkommene Gäste anlocken, war zu jener Zeit spürbar.

Startschwierigkeiten aber kein Flop

Allerdings blieben die Besucherzahlen mit 18 Millionen hinter den anfänglichen Schätzungen (40 Millionen) um mehr als die Hälfte zurück. Die Eintrittspreise – anfangs kostete die Tageskarte 69 Mark – mussten gesenkt und modifiziert werden (Abendkarten ab 18 Uhr für 10 und 15 Mark), damit mehr Leben auf das Gelände kam. Gerade aus anderen Städten der Republik, beispielsweise Berlin, wurde die Expo anfangs überaus kritisch begleitet. Dabei schwang immer auch der Vorwurf mit, die Provinzstadt in Niedersachsen könne nicht leisten, was eine Metropole wie Hamburg, Berlin oder München zu schaffen imstande wäre. Zum Flop allerdings wurde die Expo auf keinen Fall. Die Bilanz spricht von Gesamtkosten in der Höhe von 3,5 Milliarden Euro, die sich Bund und Land Niedersachsen, Stadt Hannover und Beteiligungsgesellschaft der Wirtschaft teilen müssen. Die Einnahmen wurden auf 2,4 Milliarden Euro geschätzt – und Wirtschaftsprüfer schätzten zudem Steuermehreinnahmen von mindestens 2,7 Milliarden Euro. Hannover indes schaffte mit diesem Ereignis einen Sprung nach vorn, seinen Ausdruck findet das in der Unterführung des Messeschnellwegs an der Pferdeturmkreuzung oder im neuen Baugebiet auf dem Kronsberg, auch in Investitionen für den Hauptbahnhof. Die Nachnutzung des Geländes hingegen ist bisher noch kein Musterbeispiel für gute Stadtplanung. Ein großes Ikea-Möbelhaus steht am Rande des Geländes, die Fachhochschule nutzte viele der Gebäude. Dort, wo viele Pavillons der Länder standen, sind jetzt teilweise noch Ruinen zu sehen. Immerhin gibt es inzwischen ein Konzept, das an dieser Stelle neue Hoffnung verbreitet.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #103.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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